Kultur 3/2012
Der Kampf der Radler
Das Jahr ist kaum ein paar Monate alt, da gibt es schon einen Anwärter auf das Unwort des Jahres. Als „Kampf-Radler“ beschimpfte Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer Fahrradfahrerinnen und Fahrradfahrer auf deutschen Straßen. Er habe – anzunehmen, dass er im Fond seiner Dienstlimousine saß – „beobachtet, wie Radler unter den Augen von Polizisten rote Ampeln und jede Verkehrsregel missachten“. Manchmal sei „die Polizei schlicht und einfach überfordert, der Verrohung endlich Einhalt zu gebieten“, wetterte der Minister im Interview mit der Neuen Osnabrücker Zeitung weiter. Im Windschatten dieser Anti-Radfahrstimmung unterstellt die öffentliche Meinung gern, die so in den Dreck gezogenen Radler seien selbst Schuld daran, wenn sie im Straßenverkehr verunglückten.
Dabei haben Radfahrer in den vergangenen zwei Jahren nur elf Prozent aller Unfälle mit Personenschäden verursacht. Wer bei diesen Unfällen hauptsächlich verletzt oder gar getötet wird, ist ohnehin klar. „Einseitige Schuldzuweisungen sind nicht zielführend, vertiefen die Vorurteile und lassen die Bereitschaft zur Rücksichtnahme weiter sinken“, warnt Doris Neuschäfer vom VCD-Bundesvorstand. Doch der Minister denkt an Erziehung, Warnwesten und Helmpflicht. Mit höheren Strafen möchte er die störenden Radfahrer in die Schranken weisen und für mehr Sicherheit sorgen. Dabei sind die Vorteile des Radfahrens hinreichend bekannt und die positiven Gesundheitseffekte übertreffen das Unfallrisiko bei weitem.
Radfahrerinnen und Radfahrer brauchen mehr Platz zum Fahren und Verweilen, Tempo 30 als Regelgeschwindigkeit in der Stadt und ein Netz sicherer Wege auf Flächen, die in den vergangenen Jahrzehnten dem Auto großzügig überlassen wurden. Der Bund muss eine Infrastruktur schaffen, die für alle gleichermaßen sicher ist. Statt die Gelder für den Radverkehr wie in den letzten zwei Jahren um 40 Prozent zu kürzen, müssten die Bundesmittel massiv aufgestockt werden.
Ergänzend braucht es Kampagnen, die für Akzeptanz werben und Autofahrer zum Umsteigen aufs Fahrrad bewegen. Denn wenn immer mehr Radfahrer auf unseren Straßen unterwegs sind, wird auch der Bundesverkehrsminister nicht mehr nur mit dummen Sprüchen an ihnen vorbeikommen.
Uta Linnert