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Ein Pfad führt über eine grüne Alm
Ein Junge gießt Pflanzen, die in einer Holzkiste wachsen
Eine Seilbahngondel schwebt über eine dicht bebaute Stadt

Titel 2/2012

Call a Pedelec

In Stuttgart können Einheimische und Touristen E-Räder der Deutschen Bahn mieten.

Foto: Marcus GlogerMit Ökostrom des Energieriesen EnBW fahren "e-Call a Bike"-Kundinnen und -Kunden in Stuttgart.

Stuttgart liegt bekanntlich in einem Talkessel – und wer dort Rad fahren möchte, sollte stramme Waden haben, um die bis zu 300 Höhenmeter und 20-prozentigen Steigungen zu bezwingen. Um das Hänge-Erklimmen attraktiver zu machen, haben die Stadt Stuttgart und der Energieriese EnBW zusammen mit der Deutschen Bahn das Leihrradsystem „Call a Bike“ elektrifiziert. 100 Pedelecs stehen an 44 Stationen für Einwohner, Pendler und Touristen bereit. Jede Leihstation ist gleichzeitig Ladepunkt, an dem zwei Pedelecs gleichzeitig tanken können – nach EnBW-Angaben 100 Prozent Ökostrom.

Entstanden ist das System „e-Call a Bike“ aus dem Wettbewerb „Innovative öffentliche Fahrradverleihsysteme“ des Bundesverkehrsministeriums. Bis 2012 gibt das Minis­terium Geld für bundesweit acht Mietrad­-systeme der „vierten Generation“ – das heißt Modelle, die Leihräder als festen ­Bestandteil des ÖPNV etablieren wollen. Nach Stuttgart fließen 1,25 Millionen Euro.

Das Geld stammt aus dem Bundesprogramm „Elektromobilität in Modellregionen“. Die Bundesregierung hat für acht Modellregionen in Deutschland 130 Millionen Euro aus dem Konjunkturprogramm II zur Verfügung gestellt. Fast jede dieser Modellregionen hat in ihre E-Mobil-Flotten auch Pedelecs aufgenommen und ausgewählten Nutzern – sowohl Unternehmen als auch Privatpersonen – zum Testen überlassen. Ein E-Rad-Verleihsystem wie in Stuttgart ist bislang jedoch einzigartig in Deutschland.

Noch plant „Call a Bike“-Betreiberin DB Rent nicht konkret, den Pedelec-Verleih auch in anderen Städten möglich zu machen. Grundsätzlich werde der Systemausbau aber angestrebt, so eine DB-Sprecherin. Offensichtlich müssen vorerst Kinderkrankheiten beiseitigt werden. So haben die ersten Wochen von „e-Call a Bike“ in Stuttgart gezeigt, dass die eingesetzten ­Pedelec-Modelle für den Dauerverleih und den Einsatz am Berg nicht perfekt geeignet sind. Vonseiten der DB heißt es, die Räder und vor allem der Antrieb würden optimiert.

Kirsten Lange

Doch La Rochelles Ruf als Frankreichs „grüne Hauptstadt“ beruht nicht nur auf Elektroautos und dem Tag ohne Auto. Weit früher machte die Stadt mit ökologischer Stadtentwicklung und Förderung alternativer Mobilität von sich reden.

Zentrum als geschützter Bereich

Bereits 1971 begann die Stadtverwaltung mit regelmäßigen Luftschadstoffanalysen und erklärte das Zentrum zum „geschützten Bereich“, zum „Secteur sauvegardé“. 1975 entstand Frankreichs erste Fußgängerzone gegen den erbitterten Widerstand von Geschäftsleuten. Ein Jahr später richtete die Stadt einen Leihfahrradservice ein: „Vélos jaunes“. Heute stehen mehr als 300 gelbe Räder, verteilt an 55 mit Solarstrom betriebenen Selbstbedienungsstationen, im Stadtgebiet. 1981 folgte eine Kampagne gegen Lärm in der Stadt, 1998 lief die erste von heute drei solarunterstützten elektrischen Fähren vom Stapel. Die Schiffe sind die Ersten ihrer Art in Frankreich.

Zusammen mit ihren Bürgern gestaltete die Stadt zur Jahrtausendwende den nationalen „Plan de Deplacement Urbain“ (PDU). Die beispielhafte Umsetzung des PDU in La Rochelle, die Bus und Bahn, Fahrradfahrern und Fußgängern Vorrang gibt, wurde von der französischen Umweltschutz- und Energieagentur und vom nationalen ÖPNV-Verband ausgezeichnet. 2005 startete die Verwaltung eine Energieeffizienz- und Klimaschutzkampagne und erstellte eine CO2-Bilanz für La Rochelle.

Bürgermeister setzen auf Grün

Die Vorreiterrolle der Stadt geht zurück auf Michel Crépeau. Der Anwalt und Politiker der Linken, des Mouvement des Radicaux de Gauche, war von 1971 bis zu seinem Tod 1999 Bürgermeister und Präsident des Großraums La Rochelle. In seiner fast dreißigjährigen Amtszeit verfolgte der begeisterte Radfahrer konsequent die Idee, eine Stadt zu schaffen, in der der Mensch der Maßstab ist.

„Luftiger, gesünder und grüner. Eine glücklichere Stadt für glücklichere Menschen“ sollte La Rochelle werden, verkündete Crépeau in seinem ersten Wahlkampf. Er blieb diesem Motto zeitlebens treu. Die Bürger bestätigten ihn viermal im Amt, er wurde über Parteigrenzen populär und unter Präsident François Mitterand unter anderen Minister für Umwelt.

Gleich nach Amtsantritt stoppte Crépeau mehrere große Neubauprojekte in der Stadt zugunsten einer kleinteiligeren Planung. Eine seiner Lieblingsaufgaben wurde das Bäumepflanzen: Innerhalb weniger Jahre wurde der Anteil der Grünflächen im Stadtgebiet vervierfacht.

Heute verfügt La Rochelle über 410 Hektar an öffentlichen Parks und Gärten, ausgedehnte Fußgängerzonen, Tempo-20-Zonen, viele Park&Ride-Parkplätze sowie ein gut ausgebautes Busnetz. Als eine der ersten Städte Frankreichs führte die Stadt Busse mit weniger Abgas- und CO2-Emissionen ein. Auf der Expresslinie Illico werden sie mit Rapsöl betrieben, Solarmodule auf dem Dach unterstützen die Klimaanlage. Die Busse fahren auf Sonderspuren, die mit Pfosten abgesperrt sind. Der Busfahrer kann sie ferngesteuert versenken und hochfahren.

Gelbe Karte für die Solarfähre

Einzigartig in Frankreich ist das Programm Elcidis – Electric City Distribution –, das den Schwerlastverkehr in die Innenstadt reduziert. Pakete und Paletten werden von großen Lkw in elektrische Lieferwagen oder einen 3,5-Tonnen-Elektro-Kleinlaster umgeladen und dann – unabhängig von Zufahrtsbeschränkungen – in das verkehrsberuhigte Zentrum gefahren. Auch die Stadtreinigung und die Stadtgärtnerei sind elektrisch unterwegs.

fairkehr 5/2023