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Ein Pfad führt über eine grüne Alm
Ein Junge gießt Pflanzen, die in einer Holzkiste wachsen
Eine Seilbahngondel schwebt über eine dicht bebaute Stadt

Titel 2/2012

Auch mit Motor klimafreundlich

Die Ökobilanz von Elektrofahrrädern kann sich sehen lassen – und wird mit regenerativ erzeugtem Strom noch besser.

Foto: Marcus GlogerWer das E-Bike statt Mofa, Moped, Bus, Bahn oder Auto benutzt, ist bis zu hundertmal klimafreundlicher unterwegs.

Während die einen das Elektrofahrrad als Klimaretter ansehen, fragt die Gegenseite, woher denn der Strom für den Zusatzantrieb kommt. Stellt nicht spätestens der Aufwand für die Herstellung der Akkus das E-Bike gegenüber dem Fahrrad ins klima­freundliche Abseits? Da hilft nur Nachrechnen und die Antwort ist eindeutig: klimafreundlich.

Der Markt boomt, die Verbraucher sind begeistert und die Steigerungsraten der Verkaufszahlen von Elektrofahrrädern erinnern an Wirtschaftswunderzeiten. Manche sehen in fernerer Zukunft kaum noch Fahrräder ohne elektrischen Zusatzantrieb. Kritiker halten dagegen: Nichts sei ökologisch so sauber wie das Fahrrad, diese geniale Erfindung, mit der man für die Fortbewegung weniger Kraft brauche als beim Zufußgehen.

Das E-Bike ersetzt das Auto

Das E-Bike verbraucht nun einmal zusätzliche Energie, und solange der Strom aus dem üblichen Energiemix hergestellt wird, fällt zusätzliches klimaschädliches Kohlendioxid (CO2) an. Hinzu kommen der Rohstoffverbrauch und der Energieaufwand für die Herstellung des Lithium-Ionen-Akkus. Wenn die Menschen vom Fahrrad auf das E-Bike umsteigen, würde insgesamt mehr Energie verbraucht und der CO2-Ausstoß gesteigert, sagen die Kritiker der Elektrofahrradbewegung. Befürworter meinen, das E-Bike ersetze nicht das Fahrrad, sondern vor allem das Auto oder andere motorisierte Verkehrsmittel wie Bus oder Bahn, deren CO2-Ausstoß deutlich höher sei.

Foto: Marcus GlogerEin durchschnittlicher Laptop verbraucht in der Regel mehr Strom als die Spritztour mit dem Pedelec

Zwei Studien stützen diese These. Die niederländische Studie „Rapport Electrisch Fietsen“ von 2009 prognostiziert, dass das E-Bike vor allem für Strecken über fünf Kilometer Länge genutzt wird. Die Hochschule Luzern ermittelte 2010 in der Schweiz bei einer Befragung von Elektrovelofahrerinnen und -fahrern, dass diese seit dem Kauf ihres E-Bikes rund 20 Prozent weniger Fahrrad fahren, aber rund 50 Prozent weniger Auto und Bus oder Bahn. Wie hoch aber ist nun der tatsächliche CO2-Ausstoß des E-Bikes?

Den Verbrauch an elektrischer Energie und den daraus resultierenden CO2-Ausstoß für den Betrieb kann man relativ einfach abschätzen. 30 Kilometer Reichweite mit einer Akkuladung mit 24 Volt und 10 Amperestunden (Ah) sind zwar niedrig angesetzt, aber das schafft man, auch wenn der Akku nicht mehr ganz neu ist. Rechnerisch bleibt man damit auf der sicheren Seite. Das heißt, im konkreten Fall fällt die Bilanz eher besser aus als der errechnete Wert. Daraus ergibt sich ein Energieverbrauch von 0,008 KWh/km. Beim Laden an der Steckdose und mit dem aktuellen Strommix in Deutschland entspricht das einer CO2-Belastung von 4,5 Gramm CO2 pro Kilometer (CO2/km).

Lithium-Ionen-Batterie doch nicht so klimaschädlich

Die Hersteller geben für den Akku eine Lebensdauer von 500 bis 1000 Ladezyklen an, womit volle Ladungen gemeint sind. Ist ein Akku nur teilentladen und wird er wiederaufgeladen, zählt das nur als Teilladezyklus. Konservativ gerechnet hält der Akku bei einer Reichweite von 30 Kilometern und 500 Ladezyklen 15.000 Kilometer weit. Dann etwa ist ein neuer Akku erforderlich.

Weil die Lebensdauer begrenzt ist, ist der CO2-Ausstoß bei der Herstellung des Akkus dem Energieverbrauch bei der Fahrt hinzuzurechnen. Wie viel CO2 bei der Herstellung anfällt, dazu gab es bisher nur sehr unzureichende Abschätzungen. Im Jahr 2010 hat die renommierte Schweizer Eidgenössische Materialprüfungs- und Forschungsanstalt (EMPA) eine neue Studie zur Ökobilanz von Lithium-Ionen-Batterien für Elektroautos veröffentlicht und dabei einen Wert von 54 kg CO2/KWh ermittelt. Rechnet man diesen Wert auf die Kapazität eines üblichen E-Bike-Akkus mit 0,24 KWh und seine Lebensdauer von 15.000 Kilometer um, ergibt sich eine CO2-Belastung durch die Herstellung des Akkus von knapp 1 g CO2/km.

Im Vergleich

Beim Betrieb eines Elektrofahrrads werden also inklusive der Belastung durch die Herstellung des Akkus nach dieser Kalkulation etwa 5,5 g CO2/km ausgestoßen. Ein sparsames, benzinbetriebenes Mofa emittiert mit 50 g CO2/km mindestens zehn Mal so viel, ein sparsames Auto mit Verbrennungsmotor mit 100 g CO2/ km 20 Mal so viel, wobei die von den Autoherstellern genannten CO2-Werte nur erreicht werden, wenn man nicht schneller als Tempo 100 fährt. Das heißt, in der Realität liegen die Werte sicher um 50 bis 100 Prozent über den Nennwerten.

Vergleicht man den Stromverbrauch aufs Jahr summiert, braucht ein E-Bike bei 15 km Strecke pro Tag 44 KWh, ein Laptop 58 KWh und der Kühlschrank 250 KWh im Jahr. Ein durchschnittlicher Vier­personenhaushalt verbraucht insgesamt 4000 KWh elektrische Energie pro Jahr.

Fazit

Umweltbewusste Menschen müssen sich im Hinblick auf die verbrauchte elektrische Energie keine Sorgen machen, dass sie dem Klima besonders schaden. Trotz Akku und Stromverbrauch ist ein E-Rad aus Klimasicht ähnlich positiv zu bewerten, wie ein klassisches Fahrrad. Denn wer das E-Bike statt Mofa, Moped, Bus, Bahn oder Auto benutzt, ist je nach Einsatzgebiet um bis zu hundertmal klimafreundlicher unterwegs.

Wer dann noch seinen Haushalt auf Ökostrom umstellt, kann den CO2-Ausstoß beim E-Rad-Fahren gegen null bringen. Auch die Frage des begrenzten Vorrats an Lithium für die Batterieherstellung stellt sich beim E-Bike im Vergleich zum Elektroauto wegen der um Klassen kleineren Batterie viel weniger: Größenordnung 2,5 kg zu 300 kg Batteriegewicht. Zudem sind Verfahren zum Recycling des Lithiums genauso in Entwicklung wie andere Batteriekonzepte.

Peter Barzel

Glossar

Akku: wiederaufladbare Batterie

Lithium-Ionen-Batterie: Eine Batterie-Bauart, die es in zahlreichen Varianten gibt. Allgemein ist der Vorteil dieser Batterien das niedrige ­Gewicht und der fehlende Memory-Effekt. Das heißt: Das Aufladen nach Teilentladung ist nicht schädlich, sondern im Gegenteil sogar erwünscht.

Strom-Mix: Dieser Begriff beschreibt, dass der Strom aus unterschiedlichen Energieträgern mit unterschiedlich hohem CO2-Ausstoß gewonnen wird, aus denen ein durchschnittlicher Wert für den CO2-Ausstoß pro KWh Strom ­errechnet wird.

Ökostrom: Strom, der regenerativ erzeugt wurde, beispielsweise mit Wind, Wasser oder Sonne. Machen Sie sich schlau, wechseln Sie den Stromanbieter.

Pedelecs überholen E-Autos

Pedelecs bringen der Fahrradbranche einen zusätzlichen Wachstumsschub. 2011 kauften die Deutschen etwa vier Millionen Fahrräder, darunter 310.000 mit elektrischer Tretunterstützung. Autos wurden dagegen weniger als 3,2 Millionen zugelassen – davon waren 1800 Elektromobile.

„Während die Autoindustrie noch an der Elektromobilität tüftelt, ist sie im E-Bike bereits gelebte Realität“, sagte Albert Herresthal, Geschäftsführer des Verbundes Service und Fahrrad VSF, als er diese Zahlen auf dem Fahrradkongress vivavelo Ende Februar präsentierte. Er lobte „den Innovationswillen und die Innovationskraft der Fahrradbranche, die bereits seit knapp 20 Jahren im Bereich der Elektromobilität forscht, entwickelt und produziert – ohne Subventionen vom Staat einzufordern!“

Der Zweirad-Industrie-Verband ZIV schätzt, dass mittlerweile 900.000 ­E-Fahrräder zwischen Flensburg und Garmisch-Partenkirchen unterwegs sind.

fairkehr 5/2023