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Ein Pfad führt über eine grüne Alm
Ein Junge gießt Pflanzen, die in einer Holzkiste wachsen
Eine Seilbahngondel schwebt über eine dicht bebaute Stadt

Reise 2/2012

Radfahren verbindet

Ausgezeichnet: Vom Münsterland bis an die Oder führt der Radweg D-Route 3 einmal quer durch Deutschland.

Foto: Marcus GlogerMit Schwung bergauf: Im Harz wirds ­hügelig. Sportliche Radler kommen hier auf ihre Kosten.

Es ist ein gigantisches Gefühl, nach einer mehrtägigen Radtour durchs Brandenburger Tor in die Mitte der deutschen Hauptstadt zu fahren. Einfach mal machen!“, ruft Ulrich Syberg vom Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Club (ADFC) den Zuhörern zu. Ob er auf dem Weg dorthin schon die Höhen des Harzes bezwungen, die Auen der Mittleren Elbe durchfahren oder die Havelseen umrundet hatte? Diese Landschaften sind Teile der D-Route 3, die auf der Internationalen Tourismusbörse ITB in Berlin vom amtierenden Bundesvorsitzenden des ADFC den Premium-Status als ADFC-Qualitätsradroute verliehen bekommen hat.

Gleich zwei Staatssekretäre sind zugegen, um mit dem Deutschen Tourismusverband (DTV) die Preisverleihung zu feiern. Der Initiative des DTV ist es zu verdanken, dass das Pilotprojekt D-Route 3 realisiert wurde. Jan Mücke, Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium, einer der Projektförderer, lobt die optimierte Streckenführung, den hohen Wiedererkennungswert und die gute Beschilderung. Denn weite Teile dieser Strecke laufen auf dem bereits vorhandenen Europa-Radweg R1 von Boulogne-sur-Mer in Frankreich bis St. Petersburg in Russland.

Ernst Burgbacher, Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium und, wie er sagt, selbst passionierter Radfahrer, findet, dass dieser neue Premiumradweg dazu geeignet sei, den Fahrradtourismus als Motor der Wirtschaft in Deutschland nach vorn zu bringen. Sein Haus ist zweiter Unterstützer des Projektes. Die D-Route 3 verbinde „viele sehr schöne und abwechslungsreiche Naturlandschaften auf ihrem Weg“, sagt er.

Die 960 Kilometer lange D-Route 3 führt einmal quer durch Deutschland. Von der deutsch-holländischen bis zur deutsch-polnischen Grenze nimmt sie von West nach Ost viele Landschafts-­typen unter die Räder. Gleich zu Anfang verläuft sie durchs Zwillbrocker Venn, eines der größten Vogelschutzgebiete Deutschlands, in denen Flamingos ihr nördlichstes Brutgebiet Europas haben.

Auf den typischen Münsterländer Radwegen, den „Pättkes“, radeln die Fahrerinnen und Fahrer vorbei an Gutshöfen und Wasserschlössern bis ins Herz der Fahrradstadt Münster. Weiter gehts durch die sanften Hügel des Teutoburger Waldes, durch die Fachwerkstadt Höxter ins Weserbergland bis in den Harz. Dort stellt die Streckenführung schon etwas größere Ansprüche an die Kondition der Radtouristen als in der flachen Park­­landschaft des Münsterlandes.

Einheitliche Wegweiser

Die Interessen und die Planungshoheit von fünf Bundesländern entlang der Strecke – Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen, Sachsen-Anhalt, Brandenburg und Berlin – musste der DTV unter einen Hut bringen. „Die Kooperation aller Partner in den Regionen ist unser Hauptthema“, sagt Werner Schlösser, Vizepräsident des DTV auf der Reisemesse ITB, wo die ganze Welt um die Gunst der Touristen wirbt. Sein Verband hat es geschafft, mit allen Partnern vor Ort Standards und Strukturen für beispielhaften Fahrradtourismus in Deutschland zu entwickeln.

Die D-Route 3 bietet mittlerweile ein ­nahezu lückenloses Angebot an Bett+ Bike-Unterkünften, sie kooperiert mit Gastronomiebetrieben und hat eine ein-heit­liche Beschilderung, auf die sich die Radfahrer auf jedem Routenabschnitt verlassen können. Auch aus Berlin heraus finden sie den Weg zu den Hügeln der Märkischen Schweiz, bis sie auf der D-Route 3 zum Ausklang durch das Oderbruch bis an die polnische Grenze rollen.

„Die D-Route 3 verläuft meist sehr naturnah auf separaten Wegen“, sagt Judith Schelkle, Projektreferentin des Projektes beim DTV. Die meisten Forst- und Waldwege sind befestigt, viele sind asphaltiert, aber längst nicht alle. Das könnte einer der Gründe sein, warum der ADFC die Route zwar als Premium-Radroute auszeichnet, ihr aber zunächst nur drei von fünf möglichen Sternen verleiht.

Wie gute Radwanderwege aussehen sollen, darüber gehen die Meinungen allerdings auseinander. Ob glatte, asphaltierte Wege Radfahrer glücklich machen oder ob es auch mal ein Stück über holprige Waldwege gehen darf, ist ein Thema, das kontrovers diskutiert wird.

Das Radnetz Deutschland

„Jede einzelne Erfahrung, die wir mit dem Pilotprojekt D-Route 3 gemacht haben, bringt uns unserem Ziel, Deutschland fahrradtouristisch einheitlich zu vernetzen, näher“, sagt DTV-Referentin Judith Schelkle. Die D-Route 3 war ein Projekt des Nationalen Radverkehrsplans der Bundesregierung. Dieser hatte als eines seiner Ziele formuliert, durch insgesamt zwölf D-Routen 11.700 Kilometer Radwege in Deutschland miteinander zu verbinden. Wenn die Finanzierung durch die beiden Bundesministerien mit Ende dieses D-Route 3-Projektes im Juni 2012 ausläuft, müssten die Länder, Landkreise und Tourismusregionen selbst die Initiative für das Radnetz Deutschland ergreifen.

Denn wie sagt es Freizeitradler und Staatssekretär Burgbacher in seiner Laudatio so schön: „Früher flogen die Deutschen in den Süden, und es kam darauf an, wer nach dem Urlaub die stärkste Bräune hatte. Heute bleiben sie im Land, freuen sich über radfreundliche Temperaturen und vergleichen, wer die meisten Kilometer gefahren ist.“

Uta Linnert

fairkehr 5/2023