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Ein Pfad führt über eine grüne Alm
Ein Junge gießt Pflanzen, die in einer Holzkiste wachsen
Eine Seilbahngondel schwebt über eine dicht bebaute Stadt

Politik 1/2012

Besiegelter Umweltschutz

Organisationen können sich ihr ökologisches und gesellschaftliches Engagement zertifizieren lassen. Mobilität spielt bei den internationalen Normen allerdings eher eine Nebenrolle.

Foto: iStockphoto..comBesser mit Bus und Bike ins Büro: Unternehmen sollten im Rahmen ihrer Nachhaltigkeitsstrategie darauf achten, wie ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zwischen Heim und Arbeitsplatz mobil sind.

Mitarbeiter, die auf dem Fahrrad zur Arbeit kommen, gehören bei Vaude zur Unternehmenspolitik. Der Sportartikelhersteller vom Bodensee motiviert seine Beschäftigten, das Auto stehen zu lassen. Das Ziel: 25.000 Kilometer auf dem Rad zurückzulegen und so mindestens 3,8 Tonnen CO2 einzusparen.

Das ist eines von elf Umweltzielen, die das Unternehmen im aktuellen Nachhaltigkeitsbericht veröffentlicht hat. Es verpflichtet sich beispielsweise, bis 2015 für seine Baumwollprodukte ausschließlich biologisch erzeugte Rohstoffe zu verwenden und den Stromverbrauch am Fertigungsstandort im oberschwäbischen Obereisenbach bis Mitte 2012 um zehn Prozent zu reduzieren. Gemeinsame strukturelle Klammer für all diese Ziele ist ein Nachhaltigkeitskonzept, Vaude Ecosystem genannt. Das wiederum fußt auf einem Umweltmanagementsystem.

Umweltschutz langfristig regeln

Umweltmanagementsysteme gewinnen an Popularität. Unternehmen, Behörden oder Verbände können damit den betrieblichen Umweltschutz in sämtlichen Facetten freiwillig systematisch und langfristig regeln. Aufbauen lässt sich ein solches System beispielsweise entlang der detaillierten Vorgaben der international anerkannten Norm ISO 14001. Danach ist die Organisation angehalten, die Umweltauswirkungen sämtlicher Geschäftstätigkeiten, Produkte und Dienstleistungen in den Blick zu nehmen, Umweltbelastungen zu vermeiden und sich dabei stetig zu verbessern. Zudem sollen die Unternehmen oder Institutionen Umweltprogramme mit konkreten Zielen umsetzen und regelmäßig überprüfen.

Zu den Vorgaben der ISO-Norm gehört auch, das Umweltmanagementsystem kontinuierlich zu bewerten und falls erforderlich zu optimieren. Organisationen, die ihr System ISO-konform eingerichtet haben, können es vonakkreditierten Prüfstellen wie dem TÜV oder der Dekra zertifizieren lassen.

Mobilität ist nicht genormt

Die von der EU entwickelte EMAS-Verordnung (Eco-Management and Audit Scheme) geht noch einen Schritt weiter. Voraussetzung ist der Aufbau eines Umweltmanagementsystems gemäß den ISO-Vorgaben. Zusätzlich müssen Unternehmen, Behörden oder Verbände regelmäßig eine Umwelterklärung veröffentlichen, die dokumentiert, wie sich ihre Tätigkeiten auf die Umwelt auswirken und was sie dagegen unternehmen. Orientieren soll sie sich an sechs sogenannten Schlüsselbereichen: Energieeffizienz, Materialeffizienz, Wasser, Abfall, Biologische Vielfalt und Emissionen. Ein unabhängiger und staatlich zugelassener Umweltgutachter prüft die Erklärung. Erst wenn er sie für gültig erklärt, wird die Organisation ins EMAS-Register eingetragen und darf das EMAS-Logo verwenden.

Im Leitfaden „Umweltverträgliche Geschäftsreisen“ berät der VCD Unternehmen in Sachen nachhaltige Mobilität.

Mobilität spielt sowohl bei der ISO-Norm 14001 als auch bei der EMAS-Verordnung nur eine nachgeordnete Rolle – etwa, wenn es um Auswirkungen auf die Energieeffizienz oder um Emissionen geht. „Grund ist vor allem, dass Mobilität häufig als vor- oder ausgelagerte Aktivität empfunden wird, die jenseits der eigentlichen Geschäftstätigkeit angesiedelt ist“, sagt Stefan Schaltegger, Professor für Nachhaltigkeitsmanagement an der Leuphana Universität in Lüneburg.

Mobilität ist ein wichtiger Unternehmensfaktor

Es liegt also an jeder einzelnen Organisation, wie stark sie sich der Mobilität widmet. Vaude etwa greift das Thema neben den 25.000 Radkilometern in zwei weiteren Umweltzielen auf. So sollen der Anteil der Luftfracht gesenkt und der Treibstoffverbrauch der Firmenfahrzeuge reduziert werden. Zudem hat der Sportartikelhersteller ein Mobilitätskonzept erarbeitet, das Radfahren fördern, Geschäftsreisen umweltfreundlicher und die Pkw-Flotte grüner machen soll.

Die Universität Tübingen will den motorisierten Individualverkehr ihrer Mitarbeiter mit einer ganzen Reihe von Maßnahmen reduzieren. In einem Modellversuch schafft sie im ersten Quartal dieses Jahres E-Fahrräder für Dienstfahrten in der Stadt an.

„Um ein nachhaltiges betriebliches Mobilitätsmanagement zu fördern, wäre es hilfreich, wenn ISO-Norm und EMAS-Verordnung Mobilität explizit thematisierten“, sagt Anja Hänel, Verkehrsreferentin beim VCD. „Auch wenn Mobilität bei den wenigsten Unternehmen zum Kerngeschäft gehört, ist sie – ob Berufsverkehr, Geschäftsreisen oder Warenverkehr – ein wichtiger Unternehmensfaktor, der sich erheblich auf die Umwelt auswirkt.“

Der VCD fordert daher zum einen, dass Unternehmen konkret messbare Ziele festlegen, etwa den maximalen Schadstoffausstoß für Firmenflotten oder eine Mindestquote für Bahnfahrten auf Geschäftsreisen. Zum anderen sei es wichtig, die Mobilität der Mitarbeiter zwischen Heim und Arbeitsplatz in den Blick zu nehmen und beispielsweise das Bus- und Bahnfahren zu fördern.

Stefan Schaltegger spricht sich ebenfalls dafür aus, Mobilität spezifischer zu behandeln und dafür Kriterien sowie Managementanforderungen zu formulieren. „Das könnte den Blick des Managements auf das Thema Mobilität schärfen“, sagt der Nachhaltigkeitsprofessor.

Gewinn für Unternehmen

Der Aufbau eines Umweltmanagementsystems ist eine von vielen Möglichkeiten für Unternehmen, gesellschaftliche Verantwortung zu übernehmen – aus freien Stücken und weit über die gesetzlichen Regelungen hinaus.

In den letzten Jahren hat sich dafür der Begriff Corporate Social Responsibility (CSR) weltweit durchgesetzt. „Dabei lassen sich zwei Triebkräfte unterscheiden“, sagt Stefan Schaltegger. „Einige Unternehmen haben sich aus ethischen Gründen einem nachhaltigen verantwortungsbewussten Unternehmertum verschrieben. Andere versprechen sich ökonomische Vorteile: Sei es im Zuge eines verbesserten Risikomanagements, aufgrund eines Imagegewinns oder durch eine attraktive Positionierung am Markt und gegenüber den Wettbewerbern.“ Die Zertifizierung oder Validierung des eigenen Umweltmanagementsystems durch die ISO-Norm beziehungsweise die EMAS-Verordnung helfe Unternehmen, Behörden oder Verbänden in jedem Fall. Denn so könnten sie dokumentieren, dass sie ihre Hausaufgaben gemacht hätten.

Aktivitäten für sich sprechen lassen

Bei Vaude ist das Umweltmanagementsystem seit 2008 integriert, nach der ISO-Norm zertifiziert und gemäß der europäischen EMAS-Verordnung überprüft und für gültig erklärt. Das Unternehmen habe sich für den Aufbau eines ISO- und EMAS-konformen Umweltmanagementsystems entschieden, weil es sein Gesamtengagement und einzelne Maßnahmen extern und unabhängig prüfen lassen wollte, sagt Hilke Patzwall, Umweltmanagement-Beauftragte bei Vaude.

Für die Außendarstellung wird das Engagement eher defensiv genutzt. „Wir verwenden für das Marketing grundsätzlich nur das, was wirklich transparent und nachvollziehbar ist“, sagt Hilke Patzwall. „Außerdem verzichten wir bewusst darauf, jede Kleinigkeit an die große Glocke zu hängen. Als wir zum Beispiel 2009 komplett auf erneuerbare Energien umgestellt haben, gab es dazu keine Presseinformation.“ Stattdessen vertraut der Sportartikelhersteller darauf, dass die Aktivitäten für sich sprechen – beispielsweise die radelnden Mitarbeiter.

Kein grünes Mäntelchen

Auf diese Weise wird der Anschein vermieden, sich ein grünes Mäntelchen umzuhängen. Greenwashing fange da an, wo eine Aussage nicht von entsprechenden Handlungen untermauert sei, so Professor Schaltegger. Nachhaltigkeitsaspekte sollten ins Kerngeschäft und in alle Organisationsbereiche integriert werden. ISO-Norm und EMAS-Verordnung bieten dafür einen guten Ausgangspunkt. „Konsumenten und Geschäftspartner sollten sich gleichwohl klar machen, dass sie nichts darüber aussagen, wie ambitioniert die jeweiligen Ziele sind“, sagt Schaltegger.

Auch wenn es wissenschaftlich bislang nicht belegt ist, entsteht der Eindruck, dass es sich vor allem große Unternehmen immer weniger leisten können, nicht zertifiziert oder validiert zu sein. Und je mehr Unternehmen, Behörden und Organisationen diesen Weg gehen, als desto selbstverständlicher sehen Verbraucher und Geschäftspartner das Engagement für mehr Nachhaltigkeit an. Ein Anreiz für Unternehmen, sich konkrete Umweltziele zu setzen, die über die ISO- und EMAS-Vorgaben hinausgehen.

Michael Schwengers

Die Fördermitglieder des VCD

Für den VCD sind Unternehmen wichtige Partner. „Dabei kommt es vor allem darauf an, dass es den Unternehmen wirklich um eine nachhaltige Unternehmenspolitik geht, die mit ihrer täglichen Arbeit verzahnt ist“, sagt Claudia Maiwald, VCD-Bundesgeschäftsführerin. „Punktuelle Aktionen, die den Eindruck von Greenwashing entstehen lassen, halten wir für ungünstig.“

Mit dem Engagement für den VCD können sich Unternehmen im Rahmen ihrer Nachhaltigkeitspolitik für eine umwelt- und sozialverträgliche und sichere Mobilität, für Klimaschutz und mehr Lebensqualität einsetzen. „Unsere Kooperationspartner haben die Bedeutung einer nachhaltigen Entwicklung und des Klima­schutzes erkannt und auf unterschiedliche Weise zu einem Bestandteil ihres unternehmerischen Handelns gemacht“, so Claudia Maiwald.

Der Energieanbieter Naturstrom AG ist jüngstes Fördermitglied des VCD. Der Strom ist seit 1999 mit dem „Grüner Strom“-Label in Gold ausgezeichnet.
Das Gütesiegel wird von verschiedenen ­Naturschutzverbänden getragen und ­erfüllt strikte Kriterien. So muss der erzeugte Strom zu 100 Prozent aus erneuerbaren Energien stammen und ein ­fester Betrag pro Kilowattstunde in den Bau neuer Ökostromanlagen fließen.

Die VCD-Bundesgeschäftsstelle engagiert sich selbst ebenfalls konsequent für den betrieblichen Umweltschutz:
Alle Mitarbeiter erhalten Abotickets für Bus und Bahn, Dienstreisen innerhalb Deutschlands finden ausschließlich mit der Bahn statt und Post wird CO2-neutral versendet.

fairkehr 5/2023