fairkehr VCD-Magazin für Umwelt, Verkehr, Freizeit und Reisen

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Ein Pfad führt über eine grüne Alm
Ein Junge gießt Pflanzen, die in einer Holzkiste wachsen
Eine Seilbahngondel schwebt über eine dicht bebaute Stadt

Titel 5/2011

Flexibel werden

Bus und Bahn müssen neu überzeugen. 

Foto: Marcus GlogerPhilipp Rabbow, 20 Jahre, Student: „Ich fahre eigentlich alle Wege mit Bussen und Bahnen. Als ich noch ein Schülerticket hatte, war das ganz einfach: Man hat es in der Tasche und fährt los, egal wann und wohin, im ganzen Verkehrsverbund. Seit dem Abitur schlage ich mich mit Einzelfahrscheinen durch. Da wird das Bahnfahren auf Dauer ganz schön teuer. Das preiswerte Monatsticket für junge Leute hat für mich zeitlich zu viele Einschränkungen. Hier in NRW besitzen alle Studenten automatisch das Semesterticket, mit dem sie in ganz Nordrhein-Westfalen rumfahren können. ­Beneidenswert! Ich studiere ab dem Winter­­­semes­­ter in München. Dort gibts sowas nicht. Ist ja eine tolle Stadt, aber beim öffentlichen Verkehr in München könnten die Bayern für Studenten mehr tun."

Wird sind jung und haben ein Bedürfnis nach Mobilität. Mobilität bedeutet für uns, ohne unnötigen Ballast flexibel dorthin zu kommen, wo wir gerade hin wollen. Wir wollen einsteigen, umsteigen, ankommen, weiterfahren.“ Diese Ziele formulieren Studenten des Forschungsteams „Spurwechsel“ um den Verkehrswissenschaftler Heiner Monheim in Trier.

„Wenn wir zwischendrin Lust haben zu laufen, dann wollen wir laufen. Wenn wir Fahrrad fahren wollen, dann wollen wir Fahrrad fahren. Wir wünschen uns ein Mobilitätsangebot, das uns flexibel erlaubt, unserem Bewegungsdrang nachzugehen.“ Die „Spurwechsel“-Studenten arbeiten gegen den Status quo. Denn die überwiegende Mehrheit der Deutschen setzt sich allen Staus und steigenden Spritpreisen zum Trotz weiterhin lieber ins Auto als in den Bus. 60 Prozent ihrer täglichen Wege legen die Deutschen mit dem Pkw zurück, nur acht Prozent der Wege fahren sie Bus oder Bahn.

„Das Auto dient in unserer Gesellschaft nicht allein dem eigenen Transport, sondern transportiert das Lebensgefühl von Freiheit und Flexibilität“, erklärt Georg Wilke, Projektleiter der Forschungsgruppe „Zukünftige Energie- und Mobilitätsstrukturen“ am Wuppertal Institut die übermächtige Autozentriertheit. „Selbst Menschen, die sich vom Auto distanzieren, brauchen als Referenz das Auto.“ Bei dieser Gruppe, in der Regel Bildungsbürger, sei der „Nicht-Auto-Be­sitz“ die Ausdrucksmöglichkeit ihrer alternativen Lebensform.

Auf einen solchen Überbau kann sich der öffentliche Verkehr nicht verlassen. „Die Verkehrsbetriebe müssen mit Qualität, Komfort, Preis, Pünktlichkeit und Fahrdauer überzeugen“, sagt Wilke. Für die Zukunft setzt der Verkehrsexperte vor allem auf Flexibilität. „Busse und Straßenbahnen müssen unabhängiger von Fahrplänen und Routen auf die Bedürfnisse der Kunden eingehen“, sagt er. Der ÖPNV mit festen Linien, Zeiten und Zielen habe ausgedient.

fairkehr zeigt auf den folgenden Seiten, wie es anders geht. Verkehrswissenschaftler entwerfen ihre Vision einer Mobilität von morgen, die ohne öffentlichen Verkehr nicht vorstellbar ist. fairkehr checkt die Verkehrsbetriebe auf umweltfreundliche Innovationen, testet das elektronische Ticket und schwebt mit der städtischen Seilbahn über Hindernisse und vollgestopfte Straßen dem Ziel entgegen.

Uta Linnert

fairkehr 5/2023