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Ein Pfad führt über eine grüne Alm
Ein Junge gießt Pflanzen, die in einer Holzkiste wachsen
Eine Seilbahngondel schwebt über eine dicht bebaute Stadt

Reise 5/2011

Waldweitwandern: Für die Buche durch ganz Deutschland

Foto: iStockphoto.com

Zum 20. Geburtstag hat der Verein Bergwaldprojekt eine Wanderung durch Deutschlands Wälder organisiert, unter anderem durch "Fahrtziel Natur"-Gebiete.

fairkehr: 450 Kilometer Wanderung durch Wälder, über Berg und Tal – wie viele Blasenpflaster mussten Sie verteilen? 
Peter Naumann: Oh, sehr, sehr viele. Auf den längeren Tagesetappen von 30 Kilometern waren sie quasi Pflicht. Man ist es einfach nicht mehr gewohnt, so viel zu laufen. Früher sind die Menschen im Schnitt 20 Kilometer am Tag gelaufen, heute sind es 400 Meter. Einige Teilnehmer hatten sich extra schöne, neue Wanderschuhe gekauft. Das war ein Fehler.

Doch die Blasen waren für einen guten Zweck. Was wollten Sie mit der Wanderung, unter anderem durch „Fahrtziel Natur“-Regionen, bewirken?
2011 ist Internationales Jahr der Wälder – außerdem feiert das Bergwaldprojekt 20-jähriges Bestehen. Aus diesem Anlass wollten wir auf besondere Weise auf die Probleme des Waldes aufmerksam machen – und den Menschen gleichzeitig die Schönheit des Waldes zeigen. Sie sollten den Wald erlaufen und über lange Distanzen eins mit ihm werden.

Was sind die Probleme des Waldes?
Wir verlangen von sogenannten Drittweltländern mehr Waldschutz – und kümmern uns nicht um unsere ureigensten Wälder. In Deutschland stehen nur noch sechs Prozent Buchenwälder, die älter als 140 Jahre sind. Dabei können Buchen bis zu 600 Jahre alt werden, wenn man sie einfach lässt. Die Rotbuche kommt nur in Europa vor, und Deutschland ist das Herz der Buchenwälder. Wir haben also eine besondere Schutzaufgabe, und der werden wir bislang nicht gerecht. Zurzeit gibt es hierzulande lediglich zwei, drei kleinere Waldnationalparke mit großem Buchenwaldanteil, unter anderem den Nationalpark Hainich, durch den wir gewandert sind. Das ist viel zu wenig. Außerdem brauchen wir mehr standortheimische Wälder, damit sie nicht von den Folgen des Klimawandels dahingerafft werden. Der Waldumbau ist eine Generationenaufgabe.

Das Wetter hat ja leider nicht so mitgespielt im August. Wurde gemurrt?
Am Anfang war es sehr schwierig: Wir hatten starken Wind, Kälte und extreme Niederschläge. Doch die Teilnehmer haben es ausgehalten. Was bleibt einem auch übrig? Es war trotzdem für alle eine elementare und bereichernde Erfahrung. 25 Leute sind sogar jede der 17 Etappen mitgewandert.

Waren das alles Naturschützer?
Es waren einige dabei, die diesen Hintergrund gar nicht hatten. Sie hat vor allen Dingen der sportliche Aspekt gereizt: Mal schauen, ob ich das schaffe! Sie wollten die Outdoor-Erfahrung, raus aus dem Büro. Nach und nach ist aber bei allen der Wald in den Vordergrund gerückt, denn man war fast jeden Tag ein Teil davon. Die älteste Teilnehmerin war übrigens 74, die jüngste 7. Das Mädchen ist 70 Kilometer ganz allein gelaufen, ohne zu jammern. Ihr Vater hat vermutlich mehr gelitten als sie.

Was haben Sie und Ihre Mitwandernden mit der Tour durch Deutschlands Wälder bewegt?
Ich denke nicht, dass wir die Buchenwälder gerettet haben – dafür reicht es nicht, dass 480 Menschen durch Deutschland laufen. Doch die Wanderung hat bei den Teilnehmern ein Bewusstsein geschaffen. Das Feedback ist jedenfalls grandios. Es war wirklich eine Reise in die Tiefe der Wälder. Viele haben diese Erfahrung als etwas Tolles und Wertvolles beschrieben.

Gibt es eine Wiederholung?
Beim nächsten Jubiläum des Bergwaldprojekts bestimmt.

Interview: Kirsten Lange

Das Bergwaldprojekt

Foto: BergwaldprojektPeter Neumann ist Sprecher des Bergwaldprojekts und viele Etappen mitgewandert.

Der gemeinnützige Verein Bergwaldprojekt will Wälder in Deutschland schützen, erhalten und pflegen sowie für bessere ökologische und politische Rahmenbedingen kämpfen. Um auf die Bedeutung des Waldes aufmerksam zu machen, organisiert das Bergwaldprojekt freiwillige Pflanz- und Pflegeaktionen von Amrum bis zum bayerischen Wald.

Zum 20. Geburtstag organisierte der Verein im August eine Wanderung durch Deutschlands Wälder in 17 Etappen vom Nationalpark Harz über den Nationalpark Hainich – beides „Fahrtziel Natur“-Regionen –, durch die Rhön und den Spessart nach Würzburg. 480 Menschen wanderten mit, begleitet von ortskundigen Förstern und Nationalparkführern.

fairkehr 5/2023