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Ein Pfad führt über eine grüne Alm
Ein Junge gießt Pflanzen, die in einer Holzkiste wachsen
Eine Seilbahngondel schwebt über eine dicht bebaute Stadt

Reise 5/2011

Hier kommt das ­Fahrrad zum Zuge

Eine Privatinitiative hat den Bahnhof Chorin, 45 Zugminuten von Berlin-Mitte ­entfernt, vor dem Verfall bewahrt. Heute präsentiert er sich als Musterbeispiel für sanften Tourismus – also als echtes „Fahrtziel Natur“.

Foto: Hans-Dieter BuddeIm Stundentakt halten die Regionalexpresszüge von und nach Berlin. Direkt am Bahnsteig warten Leihräder.

Die Großstadt-Fahrgäste im Regionalexpress Berlin-Stralsund reiben sich verwundert die Augen. Da stehen neben dem schmalen Bahnsteig und in einer Halle mit geöffneten Rolltoren fast 150 Fahrzeuge – kleine und große Fahrräder, E-Bikes, eins mit angebautem Rollstuhl, Kinderanhänger und -sitze und sogar ein „Trampelbus“ – ein Spaßfahrzeug mit 12 Sitzen und 24 Pedalen.

Auch das Bahnhofsgebäude in Chorin überrascht: rotes Ziegeldach, ockerfarbene Fassade, weiße Sprossenfenster, grüne Türen und am Haupteingang ein Schild mit dem knallrotem „i“ einer zertifizierten Touristinformation.

Steffen Branding und seine Frau wollten das vom Verfall bedrohte Gebäude zunächst nur als Firmensitz für ihr Immobilienunternehmen ausbauen. „Aber weil noch viel Platz übrig blieb, haben wir ein Angebot für sanften Tourismus in der Region initiiert“, sagt der 39-Jährige. Ehefrau Susanne, 34, hatte das Thema an der Fachhochschule Eberswalde studiert.

Die beiden führten die zersplitterten Tourismusangebote zusammen. Erlebnistouren-Anbieter, Gästeführer, Hoteliers, Wirte, Naturschützer und Biobauern schufen in der einmaligen Landschaft des UNESCO-Biosphärenreservats Schorfheide-Chorin und im Naturpark Barnim ein Angebot für Menschen, die Ruhe, Erholung und Freizeiterlebnisse suchen.

„Sie reisen idealerweise mit dem Zug an, wandern oder steigen aufs Rad oder eines unserer Elektrofahrzeuge mit Ökostrom um“, rät Steffen Branding. Weitere Verleihstationen in der Nähe der Bahnhöfe Eberswalde und Groß Schönebeck erweitern inzwischen das Kombiangebot von Fahrrad und Schiene.

„Der Bahnhof Chorin ist idealer Ausgangspunkt für Wanderungen und Radtouren ins Schutzgebiet“, heißt es in der Begründung für den „Fahrtziel-Natur“-Award 2009, in dessen Rahmen das Projekt ausgezeichnet wurde. „Der Verleih von Rädern für alle Bedürfnisse vernetzt barrierefreie Mobilität und touristische Angebote beispielhaft.“

Branding und sein Team knüpfen am Ausbau des Netzwerks. Sie halten Ausschau nach weiteren Bahnhöfen und bahnhofsnahen Verleihstationen. Außerdem wollen sie für Radfahrer noch mehr Erlebnistouren ausarbeiten.

Hans-Dieter Budde

Das Engagement am Bahnhof Chorin

Foto: Hans-Dieter BuddeIn der privat betriebenen Touristinformation „Bahn-Hofladen“ wird unter anderem frisch gepresster Apfelmost verkauft.
  • Die Touristinformation „Bahn-Hofladen“ vermittelt Zimmer, Erlebnistouren und naturkundliche Führungen.
  • Im „Bahn-Hofladen“ werden neben Flickzeug auch regionale Spezialitäten verkauft.
  • Im Eigenverlag erscheinen Karten und Tourenvorschläge – etwa zum Zisterzienserkloster Chorin, ins Ökodorf Brodowin, zum Schiffshebewerk Nieder­-wfinow oder in den Grumsiner Forst, der seit kurzem auf der UNESCO-Weltnaturerbeliste steht.
  • Ein Bahnhofsverein organisiert jährlich ein Apfelfest. Der Erlös einer Obstsammel- und Apfelsaftpress-Aktion sowie der Mostverkauf im „Bahn-Hofladen“ dienen dem Erhalt der regionaltypischen Streuobstwiesen.


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