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Ein Pfad führt über eine grüne Alm
Ein Junge gießt Pflanzen, die in einer Holzkiste wachsen
Eine Seilbahngondel schwebt über eine dicht bebaute Stadt

Titel 2/2011

Auf holpriger Strecke

Preis und Stand der Technik wird viele potenzielle Käufer von E-Mobilen abschrecken – der Markt entsteht nur langsam. Hybridfahrzeuge sind eine gute Alternative.

Das Elektroauto gibt es bereits seit dem vorletzten Jahrhundert – es wurde sogar fünf Jahre vor dem ersten Benziner gebaut. Doch es sieht nicht aus, als fahre es in naher Zukunft aus dem Windschatten seines erfolgreichen Bruders. Bislang liegt die Zahl der Elektromobile hierzulande bei gerade einmal 2300.

Wer sich bei den Autohändlern umsieht, stellt fest, dass sich das derzeitige Angebot noch umgekehrt proportional zum medialen Rummel rund ums E-Mobil verhält. Studien und Prototypen gibt es viele, in jeder Stadt, die etwas auf sich hält, sind Testfahrzeuge im Einsatz, allen voran in den acht von der Regierung ausgerufenen Modellregionen Elektromobilität. Bis Ende nächsten Jahres sollen gut zwei Dutzend E-Modelle in Serie auf den deutschen Markt kommen.

Leichtbau für den Nahbereich

Mehr als zwei Dutzend weitere sind hierzulande bereits zu haben. Sie stammen von kleinen Entwicklern, deren Namen nur Eingeweihte kennen. Es handelt sich um Gefährte, die als Spezialfahrzeuge eine Nische bedienen. Bezüglich der Sicherheit können sie mit herkömmlichen Autos nicht mithalten und warten mit einem bescheidenen Platzangebot auf.

Beispiel: das Twike, das es bereits seit 15 Jahren gibt. 900 Fahrzeuge hat die hessische Manufaktur bislang verkauft. Der zweisitzige Kabinenroller mit drei Rädern kombiniert einen Elektromotor mit einem Pedalantrieb, also mit Muskelkraft, und erreicht maximal Tempo 85.

Der CityEL des Herstellers Smiles aus Aub in Franken ist ein einsitziger Kabinenroller, einen Meter schmal, der je nach Version 45 bis 63 km/h erzielt. E-Leichtbaufahrzeuge dieser Hersteller funktionieren vor allem im Nahbereich zwischen 5 und 50 Kilometern. Sie eignen sich dort, wo öffentliche Verkehrsmittel nicht die nötige Flexibilität bieten, verlangen vom Besitzer beim Fahrkomfort allerdings Toleranz.

Dreimal teurer als ein Benziner

Bislang stehen in Deutschland nur drei E-Kleinstfahrzeuge etablierter Hersteller zum Verkauf: Mitsubishis i-MiEV – ein für den deutschsprachigen Markt etwas unglücklich geratener Name –, Citroëns C-Zero und Peugeots iOn. Alle drei beruhen auf demselben Prototypen und unterscheiden sich nur geringfügig voneinander. Laut Handelsblatt hat Peugeot seit Einführung des iOn im Dezember 2010 bis Ende Februar noch kein einziges Fahrzeug an Privatkunden verkaufen können.

Der iOn ist nur auf Leasing-Basis erhältlich – für stolze 584 Euro monatlich. Die baugleichen Schwestermodelle kosten in der Basisvariante 35.000 Euro, also ungefähr das Dreifache eines Kleinstwagens mit Benzinmotor. Zwischen 25.000 und 60.000 Euro bewegt sich der Grundpreis demnächst erhältlicher Elektroautos. Als Preistreiber erweisen sich die Batterien, die so viel kosten wie ein konventioneller Kleinwagen.

Da nützt es wenig, dass die Kfz-Steuer für E-Fahrzeuge in den ersten fünf Jahren entfällt und der Strom für 100 Kilometer Reichweite mit lediglich zwei Euro zu Buche schlägt. Die Gesamtkosten eines E-Gefährts sind immer noch gut doppelt so hoch wie die eines Benziners.

Volltanken in neun Stunden

Jedes E-Mobil ist mit zwei Ladeanschlüssen ausgestattet: einen für Haushaltsstrom und einen für Starkstrom. Der Stromoligopolist RWE hat zwar soeben eine Kombistation für Wechsel- und Gleichstromladen vorgestellt, die „ein bis zu sechs- bzw. zwölfmal schnelleres Aufladen von Elektroautos im Vergleich zu einer haushaltsüblichen Steckdose“ ermöglichen soll.

Zurzeit jedoch gibt es in Deutschland fast keine öffentlich zugänglichen Schnellladesäulen, an denen das Tanken je nach Batteriegröße eine halbe bis ganze Stunde dauert. Auch existiert kein einheitlicher Standard für das Schnellladen. So bleibt automobilen Stromzapfern vorerst nichts anderes übrig, als sich mit vier- bis neunstündigen Ladezeiten abzufinden. Öffentlich zugängliche Ladesäulen erweisen sich momentan also als unpraktisch.

Carsten Schulz, Projektleiter Ladenetze bei der Firma Smartlab, bekennt denn auch: „Es ist gar nicht vorgesehen, dass die Kunden die Ladestationen nutzen, um ihr Fahrzeug voll aufzuladen. Die Stationen dienen vielmehr dazu, ihnen die Angst davor zu nehmen, mit einer leeren Batterie liegen zu bleiben.“

Hinter Smartlab steht mit ladenetz.de ein kommunaler Verbund von bislang sieben Stadtwerken, der ein bundesweites Ladestationsnetz aufbaut. Laut Schulz wollen sich bis Ende des Jahres gut 30 weitere Stadtwerke dem Verbund anschließen. Die Stadtwerke steigen damit also in ein Zusatzgeschäft ein. Auch große Energiekonzerne betreiben Ladestationen, allein RWE rund 570. Weitere 450 Stationen verteilen sich auf andere Unternehmen und Privatbetreiber.

Kein gemeinsames Batteriemodell

Wenn Ladesäulen im öffentlichen Raum jedoch lediglich der Zwischenaufladung dienen, bleibt E-Auto-Fahrern einzig der heimische Netzanschluss in der Garage zum „Tanken“. Für eine Vollaufladung über Nacht spielt es keine Rolle, dass der Ladevorgang mehrere Stunden dauert.

Das Problem ist nur: Die meisten Autofahrer haben keine eigene Garage mit Stromanschluss. Ohne ein enges Netz an Schnellladestationen bleibt der Erwerb eines E-Mobils daher nur für eine Minderheit eine realistische Option.

Es sei denn, ein anderer Ansatz setzt sich durch: Batterietauschstationen, die die Wartezeit auf ein Minimum reduzieren würden. Doch abgesehen davon, dass es bis heute keine einzige Batterietauschstation in Deutschland gibt: Solange jeder E-Fahrzeughersteller auf ein eigenes Akkumodell setzt, müssten die Stationen sämtliche Batterietypen vorhalten – das wäre unwirtschaftlich. Und noch scheint es unrealistisch, dass sich alle Hersteller auf ein gemeinsames Batteriemodell verständigen.

Modelle für die Nische

Können die E-Mobile allen Widrigkeiten zum Trotz wenigstens das Gewissen der umweltorientierten wohlhabenden Schicht beruhigen? Ermöglichen sie individuelle Mobilität ohne faden Beigeschmack? So einfach ist es leider nicht. Bis heute ist beispielsweise ungeklärt, was mit den Batterien und ihren giftigen Bestandteilen am Ende ihrer Lebensdauer geschehen soll – ein Entsorgungskonzept gibt es nicht. Noch gravierender für die Öko-Bilanz der E-Mobile: Fast 60 Prozent des in Deutschland produzierten Stroms stammen aus fossilen Kraftwerken – und wer diesen Strom tankt, fährt danach kein klimafreundliches Auto mehr.

Ohne große Fortschritte bei Batterietechnik und -preisen wird die Elektromobilität Nischen besetzen, aber nicht den Massenmarkt erobern. Die im Alltagsbetrieb auf 50 bis 120 Kilometer beschränkte Reichweite engt ihren Einsatzbereich auf Stadtverkehr und kurze Pendlerstrecken ein. Kommunen, die es sich leisten können, werden ihren Fuhrpark zum Teil auf Strommobile umstellen. Auch für private Firmenflotten, Taxis, Carsharing-Autos sowie Kurier- und Lieferfahrzeuge ist der Elektroantrieb interessant.

Und es muss ja nicht unbedingt ein E-Auto sein: Bereits mehr als 150 Millionen E-Roller leisten in der Volksrepublik China einen Beitrag zur Luftreinhaltung in den Städten, die am motorisierten Verkehr buchstäblich zu ersticken drohen.

Plug-in als nächster Schritt

Eine Alternative zum reinen E-Antrieb sind Hybridfahrzeuge, die einen Elektromotor mit einem kleineren Verbrennungsmotor kombinieren. Sie verbrauchen bis zu 30 Prozent weniger als ein reines Benzin- oder Dieselfahrzeug. Immerhin stehen viele Modelle schon heute zur Verfügung, ohne dass den Kunden exorbitante Preise, geringe Reichweiten und extrem lange Ladezeiten zugemutet würden.

So bietet etwa Honda fünf Mildhybridfahrzeuge an, bei denen der E-Motor den Verbrennungsmotor unterstützt. Noch sinnvoller sind Vollhybride – Autos, die auch rein elektrisch anfahren und zumindest kurze Strecken ohne Verbrennungsmotor zurücklegen können. Deren Ökobilanz fällt beim derzeitigen Strommix besser aus als die der reinen E-Fahrzeuge.

Toyota hat mit dem Prius bereits 1997 einen Vollhybrid auf den Markt gebracht. Unter den großen Herstellern will mittlerweile lediglich Renault auf Hybridantriebe verzichten. Eine Studie des Öko-Instituts und des Meinungsforschungsinstituts Prognos kommt zu dem Schluss, dass in 40 Jahren fast zwei Drittel aller Pkw mit Doppelmotor unterwegs sein werden.

Evolution statt Revolution

Als Brückentechnologie vom Auto mit Verbrennungsmotor zum batterieelektrischen Pkw könnten Plug-in-Hybride fungieren. Toyota hat angekündigt, im Jahr 2012 den Prius Plug-in zu verkaufen. Er hat eine deutlich größere Batterie als der Prius Hybrid, die über eine Haushaltssteckdose aufgeladen werden kann. Damit fährt das Auto 20 Kilometer rein elektrisch. Das reicht für die Alltagsmobilität vieler Menschen. Der volle Benzintank garantiert etwa 1000 Kilometer Hybridbetrieb.

Auch die Plug-in-Technik, vor allem die Batterie, hat ihren Preis: mindestens 5000 Euro. Erste Exemplare wurden an die Deutsche-Bahn-Tochter DB CarSharing übergeben und fahren als „e-Flinkster“-Modelle unter anderem durch Berlin.

„Die Einführung der E-Mobilität wird kein Paradigmenwechsel vom Verbrennungsmotor zum reinen batterieelektrischen Auto sein“, stellt Andreas Ostermeier fest, Experte für Emissionsminderung und Energieeinsparung im Verkehr beim Umweltbundesamt, „sondern ein kleinschrittiger Prozess.“

Neben Leichtbauweise und Downsizing der Motoren müssten Dieselfahrzeuge und Benziner durch kleine elektrische Systeme wie Start-Stop-Automatik effizienter gemacht und gleichzeitig die Vollhybridfahrzeuge zu Plug-in-Hybriden weiterentwickelt werden.

Evolution statt Revolution.

Michael Loot

fairkehr 5/2023