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Ein Pfad führt über eine grüne Alm
Ein Junge gießt Pflanzen, die in einer Holzkiste wachsen
Eine Seilbahngondel schwebt über eine dicht bebaute Stadt

Reise 4/2010

Gemeinsam geht so einiges

In London arbeiten Verkehrsbetriebe, Bezirke und Fußgängerorganisationen eng zusammen, um die Millionenstadt für Einheimische und Besucher bestens begehbar zu machen.

Foto: Valeska ZeppIn London liegen viele Sehenswürdigkeiten nah beeinander, hier das Riesenrad „London Eye“ und der Platz „Horse Guards Parade“.

Jim Walker ist auf dem Weg. Auf seinem Weg, seinem „Baby“, wie er sagt, dem „Jubilee Greenway“. Der 43-jährige Gründer und Chef der Organisation „Walk England“ eilt an der Großbaustelle für die Olympischen Spiele 2012 im Stadtteil Newsham vorbei, hastet zu seinem nächsten Termin, einem Treffen mit den Leuten, die den „Jubilee Greenway“ beschildern.

Der Greenway ist eine von sieben Frei­zeitrouten durch London, die Jim und seine Truppe im Auftrag von „Transport for London“ (TfL) entwickeln und umsetzen – der Organisation, die den Verkehr in der Millionenstadt koordiniert. Mit ­finanzieller Unterstützung von TfL rief Jim 2008 das Projekt „Walk London“ ins Leben.
Walker ist überzeugt vom Gehen: Es ist das Einfachste der Welt, es hält die Menschen fit und gesund, es schont das Klima. 2000 gründete er die Organisation „Walk England“, um mehr Briten auf die Beine zu bekommen.

Er arbeitet eng zusammen mit Spencer Clark, der bei „Transport for London“ für das Projekt „Walk London“ zuständig ist. Spencer liegt viel daran, seine Stadt durch mehr Fußgänger gesünder, lebenswerter und sicherer zu machen, die Menschen von den verstopften Straßen und aus den überfüllten U-Bahnen zu holen. Die sieben einheitlich beschilderten und durchgängigen Freizeitrouten sind für ihn ein wichtiger Schritt, auch im Hinblick auf die Olympischen Spiele, wenn Millionen Menschen die britische Hauptstadt besuchen werden. Auf mehr als 690 Kilometern führen die Routen durch die Millionenstadt und bringen Touristen und Einheimische zu Sehenswürdigkeiten und ungewöhnlichen Plätzen.

Versprechen an Londons Bürgermeister

Wer beispielsweise den „Thames Path“, den fast 110 Kilometer langen Fuß­weg an der Themse, entlangläuft, pas­siert zwischen Albert Bridge und Tower Bridge viele berühmte Bauwerke: den Tower of London, königlicher Palast und Gefängnis, die Regierungsgebäude Houses of Parliament, das weltweit größte Museum für Moderne Kunst Tate ­Modern oder das Globe Theatre, wo vor allem Shakespeares Werke gespielt werden. Von der „Walk London“-Internetseite können sich Besucher Faltblätter mit Wegbeschreibungen und Audio-Führer als mp3-Dateien herunterladen. „Zurzeit laufen mindestens eine Million Menschen im Monat auf den sieben »Walk London«-Routen“, sagt Jim Walker. „Unser Ziel ist, dass es künftig mindestens drei Millionen sind. Indem wir die Routen miteinander verknüpfen, schaffen wir ein bedeutendes und sicheres Fußwegenetzwerk.“

Das Projekt „Walk London“ läuft noch bis 2012. „Wir haben dem Bürgermeister versprochen, die Routen bis dahin fertiggestellt zu haben und sie an die einzelnen Stadtbezirke zu übergeben“, erklärt Spencer Clark von TfL.

London entziffern

Bürgermeister Boris Johnson will die britische Hauptstadt bis 2015 zu einer der fußgängerfreundlichsten Städte der Welt machen. Bereits vor drei Jahren startete das Fußgänger-Projekt „Legible London“ – lesbares London. „Transport for London“, die 32 Londoner Bezirke und die London Development Agency – eine Behörde, die sich um die wirtschaftliche, soziale und infrastrukturelle Entwicklung der Millionenstadt kümmert – beauftragten eine Informationsdesign-Agentur damit, ein perfektes Wegweiser- und Informationssystem für Fußgänger zu entwickeln. „London ist eine organisch gewachsene Stadt mit einem sehr komplexen Wegenetz, Besuchern muss es wie ein Labyrinth vorkommen“, sagt Spencer Clark. „Sogar jeder vierte Einheimische hat Angst, sich zu verlaufen.“

Foto: TfLLondon soll für Flanierende lesbar werden – mit Infosäulen, speziellen Fußgängerkarten und Tafeln an Bus- und U-Bahn-Stationen.

In drei Bezirken wird das System zurzeit getestet, unter anderem in den Touristenvierteln Southbank und Bankside entlang der Themse. Weihnachten 2007 etablierte es sich bereits erfolgreich in der beliebten Einkaufsgegend um die Oxford Street herum. Passanten finden auf den Gehwegen zwei Meter hohe blaue Infosäulen mit Umgebungskarten und Straßennamen, an Bus- und U-Bahn-Stationen hängen die Karten ebenfalls aus. „Sie enthalten ausschließlich Informationen, die für Fußgänger relevant sind“, erklärt Spencer, „und sie sind an das räumliche Denken angepasst.“

Beispielsweise zeigen die Karten immer in die Richtung, in die auch die Passanten gucken, wenn sie vor der Infosäule stehen. Sie bilden Gebäude und Sehenswürdigkeiten in 3D ab, an denen sich Fußgänger orientieren können, und zeigen Abkürzungen nur für Fußgänger. Die Promenierenden erfahren außerdem, welche Straßen, Plätze oder Attraktionen sie in fünf und in 15 Minuten erreichen können. Auch spezielle Fußgängerfaltkarten hat „Transport for London“ für die Bezirke entwickelt, in denen die Testphase von „Legible London“ zurzeit läuft. Sie enthalten die gleichen Infos wie die Säulen und machen Fußgänger noch unabhängiger und sicherer auf ihren Wegen.

„Viele Menschen, auch sehr viele Londoner, wissen nicht, wie nah beieinander die einzelnen Straßen und Sehenswürdigkeiten eigentlich sind“, stellt Spencer Clark fest. „Sie denken in U-Bahn-Stationen.“ Die meisten Touristen tauchen aus dem Untergrund auf, schauen sich das an, was es der Nähe der Station zu sehen gibt, tauchen wieder in den Untergrund ab und fahren zur nächsten Station. Dabei wären sie oftmals schneller zu Fuß an der nächsten U-Bahn-Hal­te­stelle. „Viele Besucher bekommen kein Bild von der Innenstadt“, sagt Clark. „Diese mentalen Blockaden wollen wir mit »Legible London« aufbrechen.“

Fußweg für die Königin

In London geht so einiges. Das Wegweiser- und Informationssystem „Legible London“ und die vernetzten Freizeitrouten im Rahmen des Projekts „Walk London“ sind nur zwei Bestandteile des „Walking Plan for London“, mit dessen Hilfe die 2015-Vision des Bürgermeisters Realität werden soll. Das Erfolgsrezept: Der politische Wille ist da, und im Vergleich zu anderen Städten investiert London viel Geld in bessere Bedingungen für Fußgänger – etwa 13 Millionen Pfund (rund 15 Millionen Euro) im Jahr. „Transport for London“ hat ein eigenes Team für Fußgängerbelange und bewirbt das Gehen auf seiner Internetseite. Außerdem arbeiten Stadtbezirke, Verkehrsunternehmen und Fußgängerorganisationen wie „Walk England“ konstruktiv am gleichen Ziel.

Berufsfußgänger Jim Walker schreitet den „Jubilee Greenway“ entlang, den er der Queen widmen will. Rechtzeitig zum 60. Thronjubiläum von Königin Elisabeth wird die 60 Kilometer lange Route fertig sein. Ein Kilometer für jedes Jahr der Regentschaft. Jim möchte doch nicht, dass irgendein Besucher im Olympischen Jahr das Thronjubiläum verpasst.

Kirsten Lange

fairkehr 5/2023