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Ein Pfad führt über eine grüne Alm
Ein Junge gießt Pflanzen, die in einer Holzkiste wachsen
Eine Seilbahngondel schwebt über eine dicht bebaute Stadt

Politik 4/2010

"Wir sind die Lösung"

Der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen hat sich in Berlin zu seiner zweiten Umwelt­konferenz getroffen. Busse und Bahnen schaffen Arbeitsplätze und sichern nachhaltige Mobilität.

Fotos: Walter G. Allgoewer/JOKERÜber 100 Jahre Erfahrung mit Elektrofahrzeugen: die öffentlichen Verkehrsbetriebe.

Der öffentliche Personennahverkehr und der Schienengüterverkehr sorgen in Deutschland für rund 830.000 Arbeitsplätze. Damit sind Busse und Bahnen eine wichtige Säule für den Wirtschaftsstandort Deutschland. Außerdem sind sie aktive Klimaschützer. Der öffentliche Verkehr verursacht bundesweit durchschnittlich nur die Hälfte der CO2-Emissionen im Vergleich zum Pkw. Güterbahnen produzieren pro Tonne und Kilometer weniger als ein Viertel des CO2 eines Lkw. „Wir sind die Lösung!“, ruft Uta Maria Pfeiffer, seit zwei Jahren Umweltbeauftragte des Verbandes Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV), den Vertreterinnen und Vertretern der öffentlichen Verkehrsbetriebe zu. Sie sind zur zweiten VDV-Umweltkonferenz nach Berlin gereist, um Möglichkeiten und Chancen einer zukunftsfähigen Mobilität zu diskutieren. Die Umweltbeauftragte präsentiert das neue Leitbild des VDV, mit dem sich der Verband nachhaltige Mo­bilität auf die Fahnen geschrieben hat.

Verkehrsministerium bleibt Antwort schuldig

Für das Bundesumweltministerium stellt Hubert Steinkemper auf der Tagung die Umwelt- und Klimaschutzprogramme der Bundesregierung vor. Warum aber ausgerechnet der Schienenverkehr aus dem Förderprogramm der Bundesregierung für Elektromobilität ausgenommen ist, kann oder will der Leiter der Abteilung Umwelt und Immissionsschutz nicht beantworten. Auch der Vertreter des Bundesverkehrsministeriums, Dirk Inger, bleibt in seinem Vortrag den Managerinnen und Managern des VDV diese Antwort schuldig. Er möchte zwar weg vom Öl, setzt aber trotzdem voll auf den Individualverkehr. In Erwartung eines ungebremsten Verkehrswachstums hofft der Leiter der neuen Abteilung für Klima- und Umweltschutzpolitik auf die Entwicklung von Hybrid-, Elektro- und Brennstoffzellenantriebe – in Autos. „Wir könnten das Klimaproblem lösen und mit Elektrofahrzeugen haben wir seit über 100 Jahren Erfahrung“, hält VDV-Frau Pfeiffer den Abgesandten aus den Ministerien entgegen. „Bitte nehmen Sie unsere Forderung nach Förder- und Regionalisierungsmitteln in Ihre ­Ministerien mit“, appelliert Uta Maria Pfeiffer an die Vertreter der Bundesregierung.

Mehr Selbstbewusstsein

Das Problem: Ihr Geld bekommen die Verkehrsbetriebe über die Regionalisierungsmittel von den Ländern und nicht direkt vom Bund. Diese Gelder sollen gekürzt werden. Wie bei der Deutschen Bahn im Schienenverkehr fehlt auch im öffentlichen Nahverkehr ein klares Leitbild und eine Vorgabe der Bundesregierung, wie in Deutschland der Verkehr der Zukunft aussehen soll und mit welcher Mobiltät das Land seine Klimaschutzziele erreichen will. Der offiziell bestellte Klimaschützer aus dem Verkehrsministerium kommt den VDV-Vertretern mit einem guten Rat: „Treten Sie selbstbewusster auf, sagen Sie laut, wie viele Arbeitsplätze sie schaffen, gehen Sie stärker an die Öffentlichkeit und stellen Sie Ihre Umweltfreundlichkeit heraus“, sagt Dirk Inger. Geld für Förderprogramme kann er nicht bieten.

Uta Maria Pfeiffer hat sich vorgenommen, das neue VDV-Leitbild selbstbewusst zu vertreten. Erstmals in der Geschichte ihres Verbandes hat sie das Bemühen um nachhaltige Mobilität im öffentlichen Verkehr in einer ansprechenden und informativen Broschüre zusammengefasst. Viele Städte und mit ihnen viele Verkehrsunternehmen, die der VDV vertritt, haben sich in den vergangenen Jahren auf den Weg gemacht, Klimaschutzkonzepte zu entwickeln und umzusetzen: Die S-Bahnen in Hamburg fahren mit Ökostrom, Dresden testet Hybridbusse, Elektrobusse kommen in Offenbach zum Einsatz, Berlin verspricht, seine Stadtplanung dem Prinzip der Nachhaltigkeit zu unterstellen, die DB will in ihren Strommix mehr erneuerbare Energien einspeisen und bis 2050 CO2-frei sein – und fast alle Verkehrsunternehmen melden steigende Fahrgastzahlen. Auf der Umwelttagung in Berlin sieht es wirklich so aus, als wollten die Verkehrsbetriebe die Lösung sein. Jetzt müsste es nur noch die Bundesregierung einsehen.

Uta Linnert

fairkehr 5/2023