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Ein Pfad führt über eine grüne Alm
Ein Junge gießt Pflanzen, die in einer Holzkiste wachsen
Eine Seilbahngondel schwebt über eine dicht bebaute Stadt

Politik 4/2010

Erster Schritt Ticketsteuer

Auf die geplante Abgabe für Flugtickets soll schnellstmöglich eine Kerosinsteuer folgen, fordert der VCD.

Foto: Günter Wicker (Photur)/Berliner FlughäfenAbheben wird in Deutschland künftig mindestens 13 Euro mehr kosten.

Über 16.000 Arbeitsplätze verschwin­den, mehr als sieben Millionen Menschen verzichten aufs Abheben von deutschen Flughäfen und fast eine Milliarde Euro Bruttowertschöpfung geht der Flugindustrie verloren, wenn die Bundesregierung wie geplant eine Steuer auf Flugtickets einführt: Dieses düstere Szenario malt die Luftverkehrslobby zurzeit. Der Fiskus soll ab 2011 von den Fluggesellschaften 13 Euro kassieren für jeden Passagier, der von einem deutschen Flughafen zu einem Ziel in der Bundesrepublik, innerhalb Europas oder in Nordafrika reist, für Langstrecken sind 26 Euro pro Fluggast vorgesehen.

Der Gesetzentwurf, der die Flugbranche derzeit durcheinanderwirbelt, segelte Anfang Juni aus dem Finanzministerium. Er ist Teil des Sparpakets der Bundesregierung. Eine Milliarde Euro zusätzlich im Jahr soll die Luftverkehrssteuer in die Staatskasse spülen.

Deshalb wird die Steuer kommen, ist sich VCD-Flugverkehrsexperte Heiko Balsmeyer sicher. Er begrüßt die Abgabe. Allerdings sieht er darin kein Instrument für mehr Klimaschutz, sondern vor allem einen Beitrag zu einem gerechteren Wettbewerb zwischen Flugzeug und Bahn. „Die Fluggesellschaften sparen jedes Jahr vier Milliarden Euro dadurch, dass grenzüberschreitende Flüge von der Mehrwertsteuer befreit sind“, sagt Balsmeyer. „Eine Milliarde wird sich der Staat nun wiederholen.“ Er geht davon aus, dass die Unternehmen die Ticketsteuer an ihre Kunden durchreichen werden – Fliegen wird also voraussichtlich teurer. Vor allem im Billigflugsektor könne das dazu führen, dass Kunden abwanderten, hofft der VCD-Experte. Denn gerade bei Reisen innerhalb Deutschlands und in Europa ist die Bahn eine ökologische Alternative zum Flieger.

Die Horrorzahlen der Luftverkehrsverbände hält Balsmeyer dennoch für übertrieben. „13 Euro mehr für ein Ticket werden nicht dazu führen, dass Millionen Menschen aufs Fliegen verzichten“, sagt Balsmeyer. „Und höchstens in Grenz­gebieten werden Reisende bereit sein, zu einem Flughafen im Nachbarland zu fahren, um von dort zu starten.“

Tausende neue Arbeitsplätze

Für den VCD ist die Ticketsteuer deshalb nur der erste Schritt. Nun müsse die Bundesregierung so schnell wie möglich eine Steuer auf Flugbenzin einführen. Während die Bahn auf Dieselkraftstoff und Strom Abgaben zahlt, geben Flugunternehmen keinen Cent für Mineralölsteuer aus. „Das ist klimapolitisch irrsinnig, wirtschaftlich unsinnig und es verzerrt den Wettbewerb zwischen Flug-, Bahn- und Busunternehmen“, kritisiert Monika Ganseforth vom VCD-Bundesvorstand. Der Staat verzichtet durch die Subvention jährlich auf acht Milliarden Euro. „Die Luftverkehrsabgabe ist eine gute Grundlage, die schnell durch eine Kerosinsteuer umweltpolitisch ergänzt werden muss“, sagt Heiko Balsmeyer. „Außerdem wäre es sinnvoll, die Steuer stufenweise anzuheben und auch den Frachtverkehr einzubeziehen, den der derzeitige Gesetzentwurf außen vor lässt.“

Noch diskutiert die Bundesregierung darüber, die Ticketsteuer 2012 wieder zu senken. Denn ab dann müssen die Fluggesellschaften am europäischen Emissionshandel teilnehmen und für das CO2, das sie produzieren, als Ausgleich Zertifikate kaufen. Kein Grund, die Steuer zu reduzieren, meint dagegen Balsmeyer. Da die Flugunternehmen anfangs 85 Prozent der Zertifikate geschenkt bekommen, wird der Emissionshandel dem Staat zunächst nur etwa 100 Millionen Euro im Jahr bringen. Auch trage er nicht dazu bei, dass Fliegen deutlich teurer werde, die ökologische Lenkungswirkung sei also begrenzt, so Balsmeyer. Nur die Kombination aus Ticketsteuer, Emissionshandel und Kerosinsteuer führt nach VCD-Ansicht dazu, dass die Luftverkehrsbranche die Kosten trägt, die sie verursacht.

Und die 16.000 gefährdeten Arbeitsplätze? „Durch eine andere Art zu reisen können tausende Arbeitsplätze neu entstehen“, sagt Balsmeyer. „Wer im Nahbereich Urlaub macht, lässt viel mehr Geld in der Region. Da schlummert ein großes wirtschaftliches Potenzial.“

Kirsten Lange

fairkehr 5/2023