fairkehr VCD-Magazin für Umwelt, Verkehr, Freizeit und Reisen

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Ein Pfad führt über eine grüne Alm
Ein Junge gießt Pflanzen, die in einer Holzkiste wachsen
Eine Seilbahngondel schwebt über eine dicht bebaute Stadt

Editorial 3/2010

Papa, hast du das Bohrloch gestopft?

Foto: Marcus Gloger

No, I can’t, müsste derzeit der Slogan des US-Präsidenten Obama lauten. Der sogenannte mächtigste Mann der Welt ist besorgt. Besorgt, weil er die eigene Ohnmacht erkennt. Er ist nicht in der Lage, dieses verdammte Bohrloch im Golf von Mexiko zu stopfen, diese größte menschengemachte Umweltkatastrophe der USA zu stoppen. Er muss, auch wenn ihm das sichtlich nicht behagt, den Experten von BP vertrauen. Was fehlt, ist die klare Ansage, dass es so nicht weitergeht. Bisher wird nur über das Wenn und Aber des menschlichen Versagens in diesem einen Fall debattiert. Kaum aber über die grundsätzlich falsche Richtung.

Wir sollten damit aufhören, an den unmöglichsten Stellen nach Öl zu bohren. Einem Junkie gleich, der auf der Suche nach Stoff sein Haus auf den Kopf stellt, kramen wir in den hintersten Win­keln des Planeten nach dem schwarzen Treibstoff unserer Mobilität. Wir sollten damit aufhören, staatlichen Kontrollstellen bei der Überwachung der Ölmultis zu vertrauen. Das ist – bei dem derzeit noch herschenden Paradigma der fossilen Mobilität –, als ob der Süchtige die saubere Arbeitsweise des Dealers kontrolliert.

Was die Politik stoppen muss, ist mehr als ein leckes Bohrloch. Es ist die fa­tale Mischung aus Anmaßung, mit Simpel-Technik in die nur schwer beherrsch­baren Grenzbereiche unserer menschlichen Umwelt vordringen zu wollen; aus Kumpanei der staatlichen Behörden mit den Ölgesellschaften, weil sie ja das Gleiche wollen: bohren, bohren, bohren; und der Schlamperei auf den Bohrinseln, wo Besatzungen die Verantwortung für ein gewaltiges Gefahrenpotenzial übertragen wird, die an Land kaum in den Besitz eines Busführerscheins gelangen würden. Auch der Kapitän der 1989 havarierten Exxon Valdez war besoffen, als sein Tanker vor Alaska auf Grund lief. All das stinkt zum Himmel.

Wie verbohrt müssen die Menschen im Süden der USA eigentlich sein, wenn nur wenige Jahre nach der Verwüstung von New Orleans durch den Hurrikan Kathrina nun erneut eine Umweltkatastrophe biblischen Ausmaßes über ihre Küsten hereinbricht und es immer noch keiner wagt, den Zusammenhang mit dem „American way of life“ herzustellen. Was hat mein Dodge Ram Pickup mit 20 Litern Durchschnittsverbrauch mit der Ölpampe vor meiner Haustür zu tun? Der Junkie kann nicht von der Nadel lassen.

BP, der Dealer, hat in den letzten drei Geschäftsjahren fast 60 Milliarden Dollar Gewinn erwirtschaftet. Das Stopfen des lecken Ventils in 1500 Metern Tiefe versucht dieser Global Player nun mit erschreckend archaischen Mitteln. Bilder mit im Öl verendeten Vögeln oder gar Delphinen und Walen will BP mit allen Mitteln vermeiden. Es ist immer schlecht für den Dealer, wenn die Droge ihre Fratze zeigt.
„Papa, hast du das Bohrloch gestopft?“, fragte Obamas elfjährige Tochter ihn kürzlich im Bad. Der US-Präsident ist intelligent genug, um zu wissen, dass das nur der erste Schritt sein darf. Danach muss er den Junkie USA in den Entzug schicken.

Ölfreie Strände im Urlaub wünscht Ihnen Ihr

Michael Adler

fairkehr 5/2023