fairkehr VCD-Magazin für Umwelt, Verkehr, Freizeit und Reisen

Obere Wilhelmstraße 32 | 53225 Bonn | Telefon (0228) 9 85 85-85 | www.fairkehr-magazin.de

Ein Pfad führt über eine grüne Alm
Ein Junge gießt Pflanzen, die in einer Holzkiste wachsen
Eine Seilbahngondel schwebt über eine dicht bebaute Stadt

Titel 2/2010

Nachtzüge im Nachteil

Schlechtes Image und steuerliche Benachteiligung: Verlieren die europäischen Nachtzuglinien das Rennen gegen die Billigflieger?

Foto: ArchivDr. Axel Hennighausen (39) leitet bei DB Nachtzug den Bereich CityNightLine.

fairkehr: Die Nachtzüge stehen in direkter Konkurrenz zu den Billigfliegern. Sind sie heute noch wirtschaftlich zu betreiben?
Axel Hennighausen: Ja, das sind sie, obwohl die Airlines insbesondere bei der Besteuerung deutlich besser gestellt sind. Unsere Kunden müssen pro Fahrt wesentlich mehr an den Fiskus abgeben.

Nachtzüge sind fast immer auf internationalen Strecken unterwegs. Können Sie problemlos in allen Nachbarländern fahren?
Wir müssen wie bei allen anderen Zügen auch Trassen und andere Leistungen bestellen und bezahlen. Da man für jedes Land eine eigene Zulassung und eigene Technik braucht, arbeiten wir mit den Bahnen vor Ort zusammen und kaufen bei ihnen ein, zum Beispiel die Lok mit Lokführer. Wenn möglich, arbeiten wir in Kooperationen, um mit dem regionalen Know-how der Partner die Kosten zu senken. Grundsätzlich ist der internationale Bahnverkehr aber teurer als der nationale.

Hat der Nachtzug unter diesen Bedingungen überhaupt eine Chance?
Auf alle Fälle, wenn das Gesamtpaket stimmt. Wir bieten vieles, was kein anderer kann: Fahrrad- und Gepäckmitnahme, Reisen ohne Umstieg und Check-in-Stress, eine gesparte Hotelübernachtung oder auch einfach das Reiseerlebnis als solches. Trotzdem muss das Preis-Leistungs-Verhältnis stimmen. Hier sind wir nur innerhalb einer begrenzten Bandbreite ganz vorn: Ist die Strecke zu kurz, ist das Angebot der Hochgeschwindigkeitsbahnen überlegen. Ist die Strecke zu lang, entwickeln sich unsere Kosten linear, während ein Flieger, der einmal in der Luft ist, kaum noch Kosten produziert. Ideal sind Entfernungen von 700 bis 1200 Kilometer. Hier positionieren wir uns.

Das heißt, dass man Nachtzüge sehr wohl wirtschaftlich betreiben kann, wenn die Rahmenbedingungen stimmen und die Konkurrenz nicht den Preis drückt?
Genau. Den Nachtzug München–Rom, eine CityNightLine-Strecke, betreiben wir beispielsweise profitabel. Genauso wie die Strecken zwischen Zürich und Berlin oder Prag mit Halten in vielen deutschen Mittelzentren. Da gibt es aber auch keinen Billigflieger, der uns Konkurrenz macht.

Vor einigen Jahren gab es noch den Nachtzug von München nach Neapel. War das dann schon wieder zu weit?
Da stellte sich eher eine andere Frage: Können wir europaweit unser Leistungsversprechen halten? Die Züge verließen Neapel nicht immer im besten Zustand. Das macht dann auch keinen Spaß mehr.  Die Nachfrage war zudem sehr schwankend. Aber jetzt gibt es eine gute Anschlussverbindung ab Rom mit dem italienischen Hochgeschwindigkeitsverkehr.

Wenn Sie die Rahmenbedingungen für Ihre Nachtzüge frei bestimmen könnten: Was würden Sie sich außer einer steuerlichen Gleichbehandlung der Bahn mit dem Flugverkehr noch wünschen?
Wir müssen beim Nachtzug zwanzig Jahre konstanten Imageverlust kompensieren. Die wäre ich gern los. Viel davon hängt mit der richtigen, aber einseitigen Ausrichtung auf Hochgeschwindigkeitsverkehre zusammen. Viel kommt aus der politisch gewollten Entwicklung des Flugverkehrs. Außerdem würde ich mir zwei weitere Dinge wünschen: höhere Priorität für Nachtzüge bei der Trassenverteilung – und etwas mehr Geld für Produktverbesserungen. Aber wir arbeiten daran.

Interview: Regine Gwinner

Emissionshandel im Flugverkehr: Wenig Lenkungswirkung

Ab 2012 ist der Flugverkehr in den Emissionshandel eingebunden: Bis auf wenige Ausnahmen müssen alle Airlines, die in der EU starten oder landen, das von ihren Flügen verursachte CO2 durch die Abgabe von Zertifikaten ausgleichen. Wesentlich verteuern wird das die Tickets allerdings nicht. Nach Berechnungen der EU-Kommission könnte ein Ticket für einen Hin- und Rückflug innerhalb der EU um bis zu neun Euro teurer werden, ein Hin- und Rückflugticket nach New York könnte bis zu 40 Euro mehr kosten. Bei einem Flug von Berlin nach Brüssel wäre der Ausgleich nach heutigen CO2-Tonnenpreisen schon für unter zwei Euro zu haben. Das wird niemanden vom Fliegen abhalten und zum Bahnfahren bewegen.

Uta Linnert

fairkehr 5/2023