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Ein Pfad führt über eine grüne Alm
Ein Junge gießt Pflanzen, die in einer Holzkiste wachsen
Eine Seilbahngondel schwebt über eine dicht bebaute Stadt

Titel 2/2010

Busse – und eine bessere Bahn

Sie sind schnell, preisgünstig und innovativ: Erste Fernbuslinien machen der Deutschen Bahn Konkurrenz. Doch eine gut funktionierende Eisenbahn muss sich nicht vor ihnen fürchten.

Foto: AutobahnExpressGerade junge Leute schätzen die preiswerten Verbindungen mit dem Fernlinienbus.

Drei Fernbuslinien nennt Constantin Pitzen sein Eigen. Die blauen Reisebusse des jungen Unternehmens AutobahnExpress verbinden Potsdam und Dresden mit Leipzig sowie Göttingen und Kassel mit Leipzig und Halle. Der 39-jährige Wahlberliner Pitzen ist bundesweit einer der wenigen Busunternehmer, die angetreten sind, der Deutschen Bahn Konkurrenz zu machen.

Pitzens AutobahnExpress-Busse fahren seit etwas mehr als einem Jahr nach Fahrplan alle vier Stunden auf direktem Weg. Zwischenhalte gibt es so gut wie keine. Sie würden zu viel Zeit kosten. Auch fahren die Busse in Leipzig nicht in die verstopfte Innenstadt, sondern nutzen den Flughafen als Umsteigeknoten. Weil Pitzen erreichen konnte, dass seine Tickets auch bei den Leipziger Verkehrsbetrieben gelten, fahren die Passagiere, falls nötig, vom Flughafen mit der Straßenbahn weiter ins Zentrum. Fernlinienbusse wollen vor allem schneller und preiswerter als die Bahn sein.

Und das geht im Osten besonders gut. Die Autobahnen sind nagelneu und leer, die Bahnlinien marode und die Züge langsam. Hier kann der Bus seine Vorteile voll ausfahren. „Auf unseren Verbindungen sind wir gegenüber der Bahn zwischen einer halben und einer Stunde schneller“, sagt Geschäftsführer Pitzen auf der VCD-Tagung zum Thema „Liberalisierung des Fernlinienbusverkehrs“. Preislich ist der Bus meistens auch nicht zu schlagen. Die einfache Fahrt vom Potsdamer Hauptbahnhof zum Flughafen Leipzig kostet im AutobahnExpress 14,50 Euro, mit dem Zug 41 Euro. Wer ein Sparpreis-Ticket erwischt, zahlt 19 Euro.

Constantin Pitzen hat nach eigener Aussage keinesfalls im Sinn, die Bahn ­kaputt zu machen. Er sucht die Markt­nische. „Ich möchte den Busverkehr an die Lücken, die die Bahn lässt, anpassen und den öffentlichen Verkehr verbessern“, sagt der ehemalige Bonner VCD-Aktive, dessen kleine Firma in Potsdam ihren Sitz hat. Dafür braucht Pitzen Kraft und einen langen Atem. Denn Genehmigungen für Fernlinienbusse sind nicht einfach zu bekommen.

Eine noch heute geltende gesetzliche Regelung im Personenbeförderungsgesetz aus den 30er Jahren des letzten Jahrhunderts verhindert, dass auf Strecken innerhalb Deutschlands, auf denen Eisenbahnverkehr angeboten wird, Linienbusse fahren. Ausgenommen sind Flughafen- und Messezubringer und der Verkehr mit Berlin. Diese Regelung sollte die Reichsbahn vor Konkurrenz schützen. Die staatlich geförderte Schiene sollte Gewinne erwirtschaften, um Deutschland den Straßenbau zu finanzieren. Für den Flugverkehr gilt die Einschränkung nicht. Er darf auch parallel zur Bahn stattfinden.

Neue Gesetzeslage in Sicht

Weist ein Busunternehmen nach, dass es trotz paralleler Bahnstrecke deutlich schneller und/oder günstiger ist, kann das betroffene Bundesland die Fernlinie genehmigen. Solche Verfahren dauerten leider ein Jahr oder länger, klagt Pitzen. Häufig biete man gegen die DB an, die versuche, auf diese Weise den Markteinstieg zu verhindern. Schon heute ist die DB AG mit ihren Tochtergesellschaften das bei weitem größte Fernlinienbusunternehmen Deutschlands. „Das Verbot von Parallelstrecken im Fernverkehr schützt nicht nur die Schiene, sondern auch das Angebot des Monopolisten DB AG auf der Straße“, sagt Heidi Tischmann, VCD-Verkehrsreferentin und Organisatorin des Fachgesprächs in Berlin. Mit dem Regierungswechsel im Herbst 2009 hat das Thema an Aktualität gewonnen, da CDU und FDP in ihrem Koalitionsvertrag Folgendes vereinbart haben: „Wir werden Busfernlinienverkehr zulassen und dazu § 13 des Personenbeförderungsgesetzes ändern.“

Mehr Mut

Auch der VCD ist für Wettbewerb, jedoch unter fairen Bedingungen. „Wir wollen eine bessere Bahn“, bekennt Dieter Apel, Mitglied im Wissenschaftlichen Beirat des VCD. Die Busunternehmen könnten sich die Rosinen aus dem Streckennetz herauspicken und dort dem Schienenverkehr, dem man im VCD den Vorrang gibt, unter ungleichen Wettbewerbsbedingungen Konkurrenz machen. „Wir plädieren für eine öffentlich kontrollierte Infrastrukturorganisation, die einen ökologisch und ökonomisch fairen Wettbewerb aller Ver­kehrsträger im Nah- und Fernverkehr einschließt“, fordert Apel. „Eine solche Organisation arbeitet in der Schweiz schon mit Erfolg. Und auch die deutschen Bundesländer praktizieren Wettbewerb im Schienenverkehr in Ansätzen erfolgreich.“

Christoph Schaaffkamp, Geschäftsführer des Berliner Beratungsdienstleisters KCW, kann sich nicht vorstellen, welche Institution in der Lage sein könnte, den Fernverkehr verschiedener Verkehrsmittel und -träger bundesweit zu kontrollieren.  Der ÖV-Spezialist verweist auf Europa. In Schweden und Großbritannien, wo der Markt völlig frei sei, habe sich ein starkes Netz aus Fernlinienbussen etabliert. Den Eisenbahnen habe das nicht geschadet. Im Gegenteil: Der Schienenverkehr dort habe stärkere Zuwachsraten als in Deutschland. Von der deutschen Politik und den Verbänden fordert Schaaffkamp deshalb mehr Mut zur Deregulierung – ganz demokratisch mit politischer Überprüfung nach einigen Jahren, um mögliche Fehlentwicklungen zu stoppen oder Wildwuchs zurückzuschneiden. Den potenziellen Marktanteil für Fernlinienbusse schätzt KCW auf fünf bis zehn Prozent.

Der Fernlinienbus findet durchaus sein Publikum. Auch von seiner Umweltbilanz schneidet er gut ab. Wenn der Bus voll besetzt ist und ohne viele Zwischenhalte sein Ziel ansteuert, kann er sogar klimafreundlicher sein als die Bahn. „Unsere Kundinnen und Kunden sind Flugpassagiere, die ab Leipzig fliegen, Familien mit Kindern, die den Preisvorteil schätzen, ältere Menschen, die an Bahnhöfen lange Wege und steile Treppen scheuen, oder Studenten, die sich freuen, dass sie mit uns schnell und günstig hin- und herkommen und es an Bord auch noch kostenloses Internet gibt“, beschreibt Unternehmer Pitzen die Kundschaft von AutobahnExpress. 

Regulierung muss sein

„Die zentrale verkehrspolitische Forderung des VCD ist ein gut ausgebautes Fernverkehrssystem auf der Schiene und die Einführung des Integralen Taktfahrplans für das gesamte Bahnangebot im Nah- und Fernverkehr“, sagt Michael Gehrmann, VCD-Bundesvorsitzender. Integriert in einen funktionierenden Deutschlandtakt hätte der Fernbus seine Berechtigung. Regulierung müsse aber sein: Umwelt- und Sozialstandards bei den Unternehmen müssten gewährleistet sein und die Sicherheit dürfe nicht vernachlässigt werden. „Damit es einen fairen Wettbewerb gibt, müssen Fernlinienbus und Schiene gleich behandelt werden. Analog zu den Trassen- und Stationspreisen der Bahn müsste es auch eine Busmaut auf der Straße geben“, fordert VCD-Bahnreferentin Tischmann.

Die Lösung wäre ein einheitliches Informationssystem für ganz Deutschland, ein Deutschlandtakt und ein Deutschland-Service, der alle Tickets für jedes Verkehrsmittel über eine neutrale Plattform verkauft. Dann hätte jede und jeder die Freiheit zu wählen, in welchem Verkehrs­mittel der beste Sitzplatz frei ist.

Uta Linnert

fairkehr 5/2023