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Ein Pfad führt über eine grüne Alm
Ein Junge gießt Pflanzen, die in einer Holzkiste wachsen
Eine Seilbahngondel schwebt über eine dicht bebaute Stadt

Politik 2/2010

Die Kunden im Blick

Die neue Schlichtungsstelle Öffentlicher Personenverkehr hilft Bahnreisenden und wirbt um die Teilnahme der Fluglinien.

Foto: DB AG/Magnus Winter59 Minuten Zugverspätung und deshalb keine Erstattung in Sicht? In solchen Fällen hilft die neue Schlichtungsstelle.

Über zu wenig Arbeit können Heinz Klewe und das Team nicht klagen. Zehn bis zwanzig Anfragen erreichen die Schlichtungsstelle Öffentlicher Personenverkehr (söp) am Tag, berichtet Geschäftsführer Klewe. Seit Dezember 2009 ist die söp neue kostenlose Anlaufstelle für Reisende, die Ärger mit ihrem Verkehrsunternehmen haben und nicht gleich vor Gericht ziehen möchten. Der Bedarf nach neutraler außergerichtlicher Schlichtung ist groß. Mehr als 900 Fälle haben Klewes Mitarbeiter bislang bearbeitet, davon zwei Drittel von Bahnreisenden, ein Drittel von Fluggästen.

Die bundesweite verkehrsträgerübergreifende Schlichtung im Bereich Mobilität hat sich in den vergangenen fünf Jahren bewährt und etabliert. Von Ende 2004 bis Dezember 2009 bearbeitete die damalige Schlichtungsstelle Mobilität beim VCD mehr als 14000 Anfragen vor allem von Bahn- und Flugreisenden. 14 Bahnunternehmen, 83 ausländische Fluggesellschaften und zwei Busunternehmen arbeiteten mit ihr zusammen, die deutschen Flugunternehmen weigerten sich, allen voran die Lufthansa.

Die Teilnahme an dem vom Verbraucherschutzministerium geförderten Pilotprojekt war nicht nur für die Reisenden, sondern auch für die Unternehmen kostenlos. Die söp hingegen wird von den Verkehrsunternehmen finanziert. Bislang besteht der Trägerverein aus den neun Gründungsmitgliedern, darunter die DB mit vier Töchterfirmen, die deutsche Tochter der französischen Staatsbahn SNCF Keolis, Veolia Verkehr und weitere nicht bundeseigene Bahnunternehmen. Die Fluggesellschaften ließen sich noch nicht zur Mitarbeit bewegen.

„Wichtigste Aufgabe ist, die Airlines ins Boot zu holen. Da ist vor allem die Politik gefragt“, sagt Otmar Lell, Verkehrsexperte beim Verbraucherzentrale Bundesverband vzbv. Der vzbv ist Mitglied im söp-Beirat, dem Politiker, Verbraucher-, Verkehrs- und Fahrgastverbände angehören, darunter der VCD. Nach Lells Ansicht muss die Politik deutlich machen, dass auch Fluggäste ein vernünftiges Schlichtungsangebot erwarten. 

Kulanz nützt auch den Unternehmen

Immerhin steht im Koalitionsvertrag, dass die „Einrichtung einer unabhängigen, übergreifenden Schlichtungsstelle für die Verkehrsträger Bus, Bahn, Flug und Schiff gesetzlich verankert wird“. Bundesverbraucherministerin Ilse Aig­ner appellierte bereits Anfang Dezember an die Fluggesellschaften, sich freiwillig an dem Schlichtungsverfahren zu beteiligen, und wies auf die damit verbundene höhere Kundenzufriedenheit und den Imagegewinn hin. Diese Botschaft richtet sich vor allem auch an die Lufthansa. Wäre das größte deutsche Flugunternehmen zur Kooperation bereit, würden andere Gesellschaften folgen, sind sich die Experten sicher.

Heinz Klewe von der söp betont: „Unser Ziel ist die verkehrsträgerübergreifende Schlichtung.“ Zurzeit macht die söp den Unternehmen, die noch nicht Mitglied im Trägerverein sind, ein Kennenlernangebot. „Wenn sich dann beispielweise Flugreisende an uns wenden, erarbeiten wir Schlichtungsvorschläge und schicken sie an die Unternehmen mit dem Angebot der Zusammenarbeit. Wir haben diese Lösung nicht zuletzt im Sinne der Kundenbindung gefunden“, sagt Klewe. „Denn Kulanz zahlt sich doppelt aus: für die Reisenden und für die Unternehmen, die sie als Kunden behalten möchten.“

Heidi Tischmann, Leiterin der früheren Schlichtungsstelle Mobilität beim VCD, hofft, dass sich auch für ausländische Fluggesellschaften, die voraussichtlich nicht Mitglied im deutschen Trägerverein würden, eine Lösung findet. Ihr ist außerdem wichtig, dass die söp weiterhin Bahnkunden-Beschwerden bearbeitet, die keine Grundlage im Fahrgastrechtegesetz haben – beispielsweise zum Bahncard-Abo. Diese Kulanzfälle hätten bei der Schlichtungsstelle Mobilität einen Großteil der Arbeit ausgemacht. Nach Klewes Aussage sind sie auch bei der söp ein „Schlichtungsrenner“.

Kirsten Lange

fairkehr 5/2023