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Ein Pfad führt über eine grüne Alm
Ein Junge gießt Pflanzen, die in einer Holzkiste wachsen
Eine Seilbahngondel schwebt über eine dicht bebaute Stadt

Politik 2/2010

Elektroantrieb bleibt teuer

Die Politik hat den Elektroantrieb bei Pkw als Zukunftsthema entdeckt. Um ihm zum Durchbruch zu verhelfen, braucht es technische Innovationen und ein anderes Mobilitätsverhalten.

Foto: EWEStrombetriebene Pkw in Serienproduktion werden kommen – noch tüfteln die Fahrzeughersteller an Batterien und Gewicht, beispielsweise beim Elektroauto "E3" des Oldenburger Stromkonzerns EWE.

An Initiativen scheint es nicht zu mangeln, dem Verkehr auf Deutschlands Straßen eine elektromobile Zukunft zu bescheren. Kaum eine Woche vergeht, in der die Medien nicht eine neue Initiative verkünden. So ist es noch nicht lange her, dass Volkswagen ankündigte, in spätestens drei Jahren ein strombetriebenes Serienfahrzeug für den chinesischen Markt zu bauen. Das auf dem Golf basierende Modell stellt VW Ende April auf der Motorshow in Peking vor. Die Wolfsburger folgen damit dem Konkurrenten Daimler, der unmittelbar zuvor eine Kooperation mit einem chinesischen Batteriehersteller eingegangen ist, um ebenfalls Elektroautos für China zu bauen.

Lukrativ ist der chinesische Markt nicht nur wegen seiner enormen Größe und des immensen Absatzpotenzials. China fördert den Kauf jedes E-Fahrzeugs mit 6000 Euro. Aber auch den europäischen Markt will der niedersächsische Automobilhersteller bedienen: ab 2013 mit dem Kleinwagen E-Up, denen der E-Golf und der E-Jetta folgen sollen. Hybridfahrzeuge, die einen Verbrennungs- mit einem Elektromotor kombinieren, sind hierzulande bereits  seit Jahren auf dem Markt. Hier haben Toyota mit dem Prius und Honda mit dem Insight und dem Civic Hybrid die Nase vorn.

Flankiert werden diese Initiativen von politischen Förderprogrammen, allen voran das Konjunkturpaket II und der Nationale Entwicklungsplan Elektromobilität. Mit dem im März 2009 verabschiedeten Konjunkturpaket II stellt die Bundesregierung bis 2011 für Elektromobilität 500 Millionen Euro zur Verfügung. Der Schwerpunkt liegt auf der Forschung und Entwicklung – von Batterien und anderen Komponenten über die Stromnetze und die Integration von Elektrofahrzeugen in die Netze bis hin zur Ausbildung.

Modellregionen im Praxistest

Im Rahmen dieses Konjunkturpakets sammeln acht Modellregionen Erfahrungen mit Elektrofahrzeugen im Praxiseinsatz. Die Vorhaben dienen dazu, die Alltagstauglichkeit der Fahrzeuge zu erproben, das Mobilitätsverhalten der Nutzer zu untersuchen und Mobilitätskonzepte zu entwickeln.

Eine dieser Regionen ist Bremen/Oldenburg. Das zu diesem Zweck gegründete Personal Mobility Center (PMC) mit Sitz in Bremen will neue Verkehrskonzepte entwickeln und Elektrofahrzeuge in bestehende Mobilitätsangebote für emissionsfreien Stadt- und Pendlerverkehr einbinden. Eine Flotte aus Elektrofahrzeugen – vom E-Fahrrad bis zum Pkw – soll ein breites Anwendungsspektrum abdecken: den motorisierten Individualverkehr, den öffentlichen Verkehr, Car-Sharing und die Nutzung in Firmenfuhrparken. Parallel dazu soll das PMC Stromtankstellen einrichten.

Die Praxis hinkt den hehren Konzepten allerdings hinterher. Zwar ist das PMC für alle Interessenten, gleich ob Privatpersonen oder Unternehmen, die zentrale regionale Informations- und Beratungsstelle für das Thema Elektromobilität. Doch welche Fahrzeuge zum Einsatz kommen sollen, steht auch ein Dreivierteljahr nach Gründung noch nicht fest, „da sie schwer verfügbar sind“, wie Jens Mey, Projektleiter im PMC, bekennt. Zudem müsse für jedes einzelne Projekt ein Antrag gestellt werden, um Projektmittel zu erhalten. „Der Bund ist mit der Vielzahl der Förderanträge aus den Modellregionen überlastet. Wir haben bis jetzt noch keine verlässlichen Mittelzusagen erhalten, und ohne dieses Geld können wir nicht viel machen“, erklärt Mey.

Der Nationale Entwicklungsplan Elektromobilität, zweites Förderungsinstrument der Bundesregierung für den E-Antrieb, ist auf zehn Jahre angelegt und soll vor allem zum Klimaschutz beitragen. Beim aktuellen Strommix weisen Elektrofahrzeuge allerdings bestenfalls geringe CO2-Emissionsvorteile gegenüber effizienten Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor auf. Schließlich fallen bei der Stromerzeugung ebenfalls CO2-Emissionen an. Erst durch den Einsatz erneuerbarer Energien werden Elektroautos annähernd zu Nullemissionsfahrzeugen. Ansonsten bliebe die Gleichung „Elektro-Pkw = Umweltschutz“ ein falsches Versprechen.

Foto: EWEDie Vision der E-Auto-Befürworter ist Zwischenspeicherung von Strom aus erneuerbaren Energien in den Pkw-Batterien.

Umweltfreundlich nur mit regenerativ erzeugtem Strom

Um die heutige CO2-Problematik von Elektroautos weiß auch die Regierung. Sie verspricht, in Zukunft die zusätzliche Stromnachfrage mittels regenerativer Energien zu decken. Befürworter des E-Antriebs bei Pkw argumentieren, dass Fahrzeugbatterien in das Stromnetz eingebunden werden könnten, indem sie in lastschwachen Zeiten, etwa nachts, dem Netz Strom entnehmen und ihn in laststarken Zeiten ins Netz rückspeisen. So trügen Elektrobatterien zur Netzstabilität bei. Das gewinnt bei einem wachsenden Anteil fluktuierender Energieträger wie der Wind- und der Sonnenenergie an Bedeutung. Die Batterien ließen sich speziell auch als Speicher für regenerative Kombikraftwerke einbinden, in denen etwa Wind-, Biomasse- und Fotovoltaik-anlagen zusammengeschlossen werden. Ein solches stetiges Stromaufkommen würde Kosten senken und zur besseren Vermarktbarkeit erneuerbarer Energien beitragen. Eine verlockende Utopie, deren Umsetzung noch fraglich ist.

Gerd Lottsiepen, verkehrspolitischer Sprecher des VCD, sieht das Engagement der Bundesregierung in Sachen Elektromobilität zwiespältig. Denn gleichzeitig verhindere die deutsche Regierung, dass in der EU ambitionierte CO2-Grenzwerte für Fahrzeuge festgelegt würden. „Die Ankündigung der Bundesregierung, dass alle E-Fahrzeuge mit Strom aus erneuerbaren Energien versorgt werden sollen, ist zudem so lange unglaubwürdig, wie die Regierung den Bau neuer Kohlekraftwerke gutheißt und die Laufzeit von Atomkraftwerken verlängern will“, sagt Lottsiepen. „Damit schadet sie letztlich auch dem Ruf der E-Fahrzeuge.“

Die Bundesregierung hat verkündet, Deutschland zum Leitmarkt für Elektromobilität zu entwickeln. Die deutsche Automobil- und Zuliefererindustrie soll international die führende Rolle bei der Etablierung von Elektrofahrzeugen übernehmen.

Batterien sind schwer und teuer

Bis dahin ist es allerdings noch ein weiter Weg, denn „bis Elektrofahrzeuge einen signifikanten Marktanteil erreichen, wird es wohl noch mehr als ein Jahrzehnt dauern“, bekennt die Bundesregierung im Entwicklungsplan.

Die Batterien sind heute weder leistungsfähig genug, noch bezahlbar für breitere Anwendungen. Die Regierung geht davon aus, dass auch in 20 Jahren nur rund die Hälfte aller verkauften Fahrzeuge Hybrid- oder Elektrofahrzeuge sind. Für typische kleine Elektroautos mit einer Reichweite von 100 Kilometern entstehen derzeit Batteriekosten von 10.000 bis 15.000 Euro. Energie- und Leistungsdichte sind ebenso ungenügend wie Lebensdauer und Zyklenfestigkeit. Gewicht, Volumen, Aufladezeiten, die starke Temperaturabhängigkeit im Betrieb sowie der Einsatz giftiger Stoffe müssen noch reduziert werden.

Elektromobilität bei Pkw erfordert neue Konzepte für Fahrzeuge, Antriebe und Komponenten. Beispielsweise wirkt sich die notwendige Kühlung der Batterien auf Innenraum, Insassenschutz und Fahrzeuggewicht aus. Hierbei droht der Mangel an Naturwissenschaftlern, Ingenieuren und technischen Fachkräften in Deutschland zur vielleicht größten Wachstumsbremse für die Elektromobilität zu werden.

Gerd Lottsiepen vom VCD glaubt daher, dass Elektrofahrzeuge auch in zehn Jahren noch Einschränkungen gegenüber Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor haben: „Reichweiten, wie wir sie von heutigen Autos kennen, sind mit Elektrofahrzeugen nicht zu erzielen, und diese Limitierung wird bleiben.“ Jeder Kilometer Reichweite mehr kostet viel Gewicht und Geld. Deswegen ergebe es keinen Sinn, E-Fahrzeuge für Langstrecken zu konzipieren. Elektroautos sollten vielmehr für Fahrzeugflotten ausgelegt werden, die auf Kurzstrecken zum Einsatz kommen. Die Batterien müssten spürbar günstiger, kleiner und leichter werden. „Elektromobilität bei Pkw wird auf jeden Fall teurer bleiben. Sie ist darauf angewiesen, dass die Politik aus Gründen des Klima- und des Ressourcenschutzes Erdöl teurer macht“, sagt Lottsiepen.

Elektrofahrräder als Alternative

Durchsetzen könnte sich der Plug-in-Hybrid. Die Plug-ins haben ein größeres Kraftstoffeinsparpotenzial als die derzeitigen Hybridfahrzeuge, bei denen ein Elektromotor den Verbrennungsmotor unterstützt und kurzzeitig einen elektrischen Betrieb ermöglicht. Dort wird der Strom ausschließlich an Bord produziert, unter anderem durch Rückgewinnung der Bremsenergie. Bei Plug-ins kann die deutlich größere Batterie dagegen auch am Stromnetz aufgeladen werden. Die Bundesregierung glaubt, dass Plug-ins und kleine Elektrofahrzeuge für den Stadtverkehr in wenigen Jahre Marktreife erlangen. Toyota wird wahrscheinlich – wie schon bei den Hybriden – der erste Hersteller sein. Die Japaner konzipieren diese Fahrzeuge aus Kostengründen für die Aufladung über den Haushaltsstrom. Im batterieelektrischen Antrieb werden die Plug-in-Hy­bride eine Reichweite von 20 Kilometern erzielen. Damit könnte die Mehrzahl der motorisierten Verkehrsteilnehmer ihr tägliches Mobilitätsbedürfnis abdecken. Plug-in-Hybride werden deutlich teurer sein als heutige Hybridfahrzeuge, aber immer noch günstiger als reine Elektroautos vergleichbarer Größe.

Gerd Lottsiepen sieht den wichtigsten Zielmarkt für den Elektroantrieb in den Metropolen der Dritten Welt, wo Millionen von Mopeds mit Verbrennungsmotoren fahren, die die Luft verpesten. Sie könnten durch E-Roller ersetzt werden oder durch so genannte Pedelecs, also flotte Elektrofahrräder. Die haben auch auf unseren Straßen eine Chance: In Deutschland werden immer mehr Pedelecs gekauft. Sie stehen für eine wirklich ökologische E-Mobilität und den Einstieg in ein intelligentes Mobilitätskonzept.

Michael Loot

Die DB und die Erneuerbaren

Die Bahn ist zurzeit die größte Anbieterin von Elektromobilität. 16 Prozent beträgt der Anteil regenerativer Energien am Strommix der Deutschen Bahn, im Bundesdurchschnitt sind es 15 Prozent. Der größte Teil stammt aus Wasserkraftwerken, die den Strom direkt ins Bahnstromnetz einspeisen. Auch die Anteile der übrigen Energiequellen der DB spiegeln weitgehend den deutschen Strommix wider. Immerhin hat die DB AG angekündigt, ihre CO2-Emissionen von 2006 bis 2020 um 20 Prozent zu senken. Das schließt auch den Ausbau erneuerbarer Energien und mehr Energieeffizienz ein. Der VCD kritisiert allerdings, dass DB Energie sich gleichzeitig am Neubau von Kohle-Großkraftwerken beteiligt. Die weitere Umstellung auf regenerative Energien müsse deutlich schneller erfolgen, als die DB plane.

Sofort aktiv werden können die Kunden. Seit 2009 bietet der Personenverkehr für Firmenkunden CO2-freie Reisen unter dem Namen bahn.corporate Umwelt-Plus an. Der DB-Konzern speist für die Menge der bei Geschäftsreisen verbrauchten Energie Ökostrom aus deutschen Quellen ins Bahnstromnetz ein. Der Preis für die Fahrkarte erhöht sich dadurch um ein Prozent. Auch Schulklassen und Jugendgruppen können für zwei Euro pro Person mit Ökostrom reisen. Ob das Angebot auf andere Kundengruppen erweitert wird, hängt vom Erfolg ab. Die verladende Wirtschaft kann Gütertransporte mit 100 Prozent Ökostrom kaufen. Großkunden erhalten eine Bescheinigung über Stromherkunft und CO2-Einsparung und können dies in ihrer Klimabilanz geltend machen. Unter anderem die deutsche BP und McDonald’s machen davon Gebrauch.

fairkehr 5/2023