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Ein Pfad führt über eine grüne Alm
Ein Junge gießt Pflanzen, die in einer Holzkiste wachsen
Eine Seilbahngondel schwebt über eine dicht bebaute Stadt

Titel 1/2010

Förderung der Umweltverpester

Mit Milliardensummen subventioniert die Bundesregierung jährlich Branchen und Projekte, die der Umwelt und der Gesundheit der Menschen schaden.

Foto: Marcus Gloger80 bis 100 Millionen Euro sollen in den Ausbau der Saalemündung fließen, damit Europaschiffe problemlos passieren können. Dabei hat im ausgebauten Hafen in Halle seit Jahren kein Frachtschiff festgemacht.

Subventionen gehören zu den wirksamsten Instrumenten der Politik. Egal ob als Steuererleichterung, Kredit oder Hilfszahlung – in jedem Fall fördert eine Regierung damit Entwicklungen, die sie für wünschenswert hält. Der direkte, in vielen Fällen aber auch versteckte Geldfluss sagt viel über die politischen Prioritäten – oft mehr als jedes Parteiprogramm. Tatsächlich widersprechen die Hilfen und Erleichterungen häufig dem, was offiziell als politisches Ziel verkündet wird. Vielfach handelt es sich aber auch um Altlasten, an die zu rühren sich niemand traut. Deshalb ist es für Politiker äußerst günstig, dass sich die Experten keineswegs einig darüber sind, was alles unter „Subvention“ zu fassen ist: Die Möglichkeiten der Interpretation sind vielfältig.

Der zu Anfang des Jahres gerade erschienene Subventionsbericht der Bundesregierung verwendet auf das Thema „Verkehrswesen“ weniger als eine Seite. Die staatlichen Hilfen zielen „insbesondere auf die Reduzierung der mit wachsendem Verkehr verbundenen negativen Auswirkungen für Klima, Umwelt und Menschen“ ab, behauptet das Bundesfinanzministerium, das den Bericht herausgibt. Von erheblicher Bedeutung sei deshalb „die Förderung des öffentlichen Personennah- und des Schienenverkehrs.“ Außerdem unterstützt die Politik umweltfreundliche Autos und Lkw und die Verlagerung von der Straße auf die Schiene, liest man da. Gegen all das wird wohl niemand etwas einzuwenden haben, mögen sich die Autoren im Ministerium gedacht haben.

Die entscheidenden Staatshilfen im Verkehrsbereich tauchen dagegen in dem Papier gar nicht auf – und die widersprechen eklatant dem, was die Bundesregierung stets zum Klimaschutz verkündet. So müssen Fluggesellschaften für ihren Treibstoff keinerlei Steuern zahlen – im Gegensatz zur Bahn, bei der der Staat für jeden Liter Diesel mitkassiert.

Steuerbefreiung für Flugtickets

Würden die Airlines den anderen Verkehrsträgern gleichgestellt, könnten sich die Bundesfinanzminister jedes Jahr über sieben Milliarden Euro mehr in der Kasse freuen. Das bestätigte im Herbst 2008 die parlamentarische Staatssekretärin Nicolette Kressl aus dem damals noch SPD-geführten Bundesministerium der Finanzen, als sie eine Anfrage der bündnisgrünen Abgeordneten Christine Scheel beantwortete. Weder im letzten noch im aktuellen Subventionsbericht steht auch nur ein Wort über diese großzügige Unterstützung. Lediglich wer die Tabellen und Anhänge intensiv studiert, wird herausfinden, dass der Fiskus in diesem Jahr auf 680 Millionen Euro Steuern für „im inländischen Flugverkehr verwendete Energieerzeugnisse“ verzichtet; vier Jahre zuvor waren es „erst“ 395 Millionen Euro gewesen. Doch so oder so: Diese Beträge decken nur einen winzigen Teil des hierzulande verkauften Kerosins ab, denn der allergrößte Teil der Flugzeuge landet am Ende der Reise irgendwo außerhalb Deutschlands.Demgegenüber erscheinen die 67 Millionen Euro pro Jahr, die die ÖPNV-Betreiber laut Subventionsbericht durch erniedrigte Mineralölsteuersätze sparen, als fast lächerlich niedrige Summe.

Doch damit nicht genug. Wer ein Ticket für einen internationalen Flug kauft, muss dafür keinerlei Mehrwertsteuer zahlen. Das Umweltbundesamt geht seiner auf Grundlage der Daten von 2006 erstellten Studie „Umweltschädliche Subventionen in Deutschland“ (siehe Kasten) davon aus, dass diese Steuerbefreiung ein Loch von etwa 1,8 Milliarden Euro pro Jahr in die Staatskasse reißt. Dagegen kassiert der Staat bei den Bahnnutzern hier kräftig ab. Ab einer Entfernung von 50 Kilometern gilt der volle Mehrwertsteuersatz von 19 Prozent. Bei kürzeren Strecken werden nur sieben Prozent fällig – was der Subventionsbericht explizit als „von erheblicher Bedeutung“ erwähnt.

Schließlich wird der Flugverkehr auch noch beim Emissionshandel bevorzugt: Während die Bahn Zertifikate für ihren gesamten Stromverbrauch kaufen muss, bekommen die Airlines 85 Prozent geschenkt. Und bis 2013 sind sie davon noch komplett freigestellt. „In beinahe allen Ländern Europas zahlen Bahnreisende deutlich weniger Mehrwertsteuer als hierzulande, in diversen Staaten wird gar keine Mehrwertsteuer für Fahrkarten erhoben. Eine solche Steuerbefreiung bekommen in Deutschland nur Flugreisende für Tickets ins Ausland.“ sagt Michael Gehrmann. Der VCD-Bundesvorsitzende beklagt, dass Deutschland in Sachen fairer Mehrwertsteuer Schlusslicht in Europa ist. „Statt Mehreinnahmen für die Hotellerie zu verschenken, sollten auch in Deutschland diejenigen einen Vorteil erfahren, die einen echten Beitrag zum Klimaschutz leisten“, sagt Gehrmann.

Foto: Marcus Gloger2,5 Millarden Euro würde der Bau einer dritten Startbahn für den Münchener Flughafen kosten, sagen Kritiker. Die Flughafengesellschaft spricht von einem „hohen dreistelligen Millionenbetrag“.

Hätschelkind Autofahrer

In keinem anderen europäischen Land schröpft der Staat die Bahnkunden so stark wie in Deutschland. Dagegen hätschelt er verschiedene Gruppen von Autofahrern. So müssen die Besitzer von Dieselwagen über 18 Cent weniger für einen Liter Kraftstoff berappen als die Fahrer von Autos, die einen Ottomotor unter der Haube haben. Rechnet man die Mehrwertsteuer mit ein, sind es sogar fast 22 Cent. Kein Wunder, dass Dieselfahrzeuge immer beliebter werden und inzwischen etwa ein Viertel der Autoflotte stellen. Das Umweltbundesamt hat errechnet, dass dem Finanzminister dadurch über sechs Milliarden Euro durch die Lappen gehen. Zudem ist die Subvention umweltpolitisch alles andere als sinnvoll. Sie fördert nicht nur krankmachende Feinstaubemissionen. Auch die Klimabilanz von Diesel ist deutlich schlechter als die von Benzin, weil der Kohlenstoffgehalt höher ist.

Die Pendlerpauschale, die nach dem Bundesverfassungsgerichtsurteil im November 2008 wieder ab dem ersten Kilometer gilt, ist eine teure und zugleich umweltfeindliche Subvention. Über vier Milliarden Euro lässt es sich der Fiskus kosten, Arbeitnehmer anzuregen, möglichst weite Wege zum Job zurückzulegen. Zusammen mit der vor ein paar Jahren abgeschafften Eigenheimzulage trägt diese Regelung massiv dazu bei, die Landschaft in Deutschland immer weiter zu zersiedeln.

Vielfahrer mit dicken Autos werden belohnt

Auch die Dienstwagenbesteuerung erfüllt nach gesundem Menschenverstand eindeutig den Tatbestand einer Subvention – fehlt aber ebenfalls im Bericht der Bundesregierung. Die Regelung besagt, dass Anschaffungs- und Spritkosten von Firmenwagen vom Unternehmen in voller Höhe von der Steuer abgesetzt werden dürfen. Ein Anreiz, kleine, spritsparende Wagen zu kaufen, ist das nicht. Außerdem statten viele Firmen ihre höheren Angestellten mit einem sogenannten Dienstwagen aus, was dann als Teil des Salärs gilt. Das erspart beiden Seiten nicht nur höhere Sozialabgaben. Die oft ausschließlich private Nutzung wird pauschal als geldwerter Vorteil steuerlich abgerechnet. Das lohnt sich besonders für diejenigen, die in ihrer Freizeit viel mit dem Dienstwagen herumkurven. Somit fördert die Regelung vielfahrende Gutverdiener mit einem dicken Auto.

Das freut natürlich die Hersteller von Limousinen, von denen es in Deutschland bekanntlich mehrere gibt. Über die Hälfte der Neuwagen kommt heute in Deutschland als Dienstwagen auf die Straße. Bei Gelände- und Oberklassewagen hängen sogar weit über 70 Prozent des Absatzes von dieser staatlichen Förderung ab, schätzt Greenpeace. Aus umweltpolitischer Sicht ist diese Subvention fatal: Der deutsche Fuhrpark wird auf lange Zeit von solchen spritschluckenden Dickschiffen bestimmt sein. Immerhin hat die neue Regierung angekündigt, die Dienstwagenbesteuerung kritisch unter die Lupe nehmen zu wollen.

Foto: Marcus GlogerMehr als sieben Milliarden Euro wird die ICE-Schnellstrecke Erfurt–Nürnberg verschlingen, die die Fahrzeit auf etwa eine Stunde verkürzen soll. Dem Bahnverkehr in den durchschnittenen Regionen hilft sie nicht.

Vorteile für Lastwagen

Wer die Be- und Entlastungen im Güterverkehr genauer betrachtet, wird erstaunt sein – proklamieren doch alle Verkehrsminister seit Jahren, dass sie mehr Verkehr von der Straße auf die Schiene verlagern wollen. Doch zugleich haben sie Rahmenbedingungen gezimmert, die eine gegenteilige Entwicklung begünstigen. „Die Verhältnisse, die wir heute vorfinden, machen die Straße billig – und die Schiene teuer“, konstatiert der bündnisgrüne Europaabgeordnete Michael Cramer. So schreibt die EU zwingend vor, dass die Nutzung von Bahntrassen gebührenpflichtig ist. Dagegen ist die Einführung einer Maut auf Straßen freiwillig, und ein Großteil der durch den Lkw-Verkehr verursachten Kosten wie kaputtgefahrene Fahrbahnen, Unfälle und Staus darf nicht angelastet werden.
In Deutschland müssen Spediteure lediglich auf Autobahnen und für Fahrzeuge über zwölf Tonnen Nutzungsgebühren zahlen, was die realen Kosten bei weitem nicht deckt. In der Slowakei ist der Transport per Lkw sogar ganz kostenlos, während die Trassengebühren der Bahn doppelt so hoch sind wie in Deutschland. „Und in Spanien sind die mit EU-Geldern gebauten Autobahnen quasi leer, während sich die Lkw auf den parallel verlaufenden Nationalstraßen stauen, denn die sind mautfrei“, kritisiert Cramer.

Auch mit dem Bau bestimmter Verkehrswege, die aus Steuergeldern bezahlt werden, setzt der Staat Prioritäten. Nach wie vor werden gigantische Bauwerke errichtet – sehr zur Freude der Bauindustrie. Dutzende Regionalflughäfen wurden in den vergangenen Jahren errichtet. Genauso wurde der Bau des verkehrspolitisch sinnlosen, mindestens vier Milliarden Euro teuren Bahnhofs „Stuttgart 21“ , den Deutsche Bahn und das Land Baden-Württemberg vor kurzem endgültig beschlossen haben, wider alle seriöse Kalkulation und bei marginalen Nutzen auf den Weg gebracht. Zudem fördert die Art der Finanzierung Fehlentwicklungen bei der Schieneninfrastruktur: Neue Strecken und gründliche Sanierungen zahlt der Staat, Reparaturen muss die DB selbst übernehmen. Wen wundert es, wenn hier häufig ein übergroßer Aufwand getrieben wird? Auch die von der EU-Kommission gewünschte Fehmarnbeltquerung zwischen Deutschland und Dänemark ist ein Beispiel größtmöglicher Geldverschwendung. Obwohl das Kosten-Nutzen-Verhältnis eindeutig negativ ist, soll die Brücke errichtet werden.

Saaleausbau trotz fehlender Schiffe

Die Binnenschifffahrt ist ohne Subventionen überhaupt nicht mehr denkbar. In Deutschland sind 13000 Menschen damit beschäftigt, auf 7300 Fluss- und Kanalkilometern für freie Fahrt zu sorgen. Für viel Geld lassen sie sinnlose Bauwerke auf Kosten der Allgemeinheit errichten: 30 Millionen Euro hat zum Beispiel der in Halle errichtete Hafen gekostet – doch in den letzten Jahren hat dort kein einziges Frachtschiff festgemacht. Selbstverständlich ist das aus Sicht der Verantwortlichen kein Beleg für eine Fehlplanung, sondern beweist nur, dass die Saale im Mündungsbereich für 80 bis 100 Millionen Euro ausgebaut werden muss, damit Europaschiffe hier ohne Probleme durchfahren können. Dass in der sich anschließenden Elbe solche Bedingungen in der Regel an weniger als 100 Tagen im Jahr herrschen und die Schiffe dort durchschnittlich nur 317 Tonnen Ladung transportieren statt der den Wirtschaftlichkeitsberechnungen zugrunde gelegten 1004 Tonnen, bleibt beim isolierten Blick auf die Saale außen vor.

Ohne Subventionen in vielfältigster Form würde Verkehr nicht funktionieren. Die „European Environment Agency“ geht davon aus, dass EU-weit jedes Jahr bis zu 290 Milliarden Euro in diesen Bereich hineingepumpt werden. Dagegen weist der offizielle Subventionsbericht für Deutschland hier lediglich 2,6 Milliarden Euro aus. Wie gesagt: Es gibt einen extrem weiten Spielraum, Subvention zu definieren.

Annette Jensen

fairkehr 5/2023