Magazin 1/2010
Orient-Express adé
Das Nachtzugangebot in Europa hat sich zum Fahrplanwechsel weiter verschlechtert.
Zum ersten Mal startete der Orient-Express am 5. Juni 1883 von Paris in Richtung Osten – seit Mitte Dezember 2009 fährt er gar nicht mehr. Zum Fahrplanwechsel haben die europäischen Bahnen etliche Nachtzugverbindungen gestrichen. Unter anderem stellt das polnische Bahnunternehmen PKP den Nachtzug von Berlin nach Warschau ein, mit ihm verschwinden die Wagen nach Krakau, Gdynia und Kaliningrad. Der City Night Line CNL zwischen Wien und Amsterdam ist ebenso gestrichen wie der Nachtzug zwischen Mailand und Amsterdam. Die Unternehmen nennen mangelnde Nachfrage als Grund.
Der VCD kritisiert, dass die europäischen Bahngesellschaften es nicht schafften, einen attraktiven Nachtzugverkehr als Alternative zum Flugverkehr anzubieten. Gerade europaweite Verbindungen seien wegen ihrer großen Entfernungen lohnend. Allerdings müssten sich auch die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen ändern. „Wenn die Bundesregierung den Mehrwertsteuersatz für Hotels reduziert, muss sie ihn auch für Übernachtungen in Zügen senken“, sagt VCD-Bahnexpertin Heidi Tischmann. „So würden Fahrten mit dem Nachtzug preiswerter und damit wieder attraktiver.“ Auf Bahnfahrscheine wird der volle Mehrwertsteuersatz fällig, während beispielsweise auf Flugtickets ins Ausland keine Mehrwertsteuer gezahlt werden muss. „Ein Problem sind auch die hohen Trassenpreise“, sagt Tischmann und schlägt vor, niedrigere Schienennutzungsgebühren für Nachtzüge zu prüfen.
Neben dem Flugverkehr machen auch die zunehmenden Hochgeschwindigkeitsverbindungen den Nachtzügen Konkurrenz. Nachtzugreisende werden nun teilweise auf ICEs umsteigen müssen. So fährt als Alternative zum gestrichenen CNL Wien–Amsterdam ein EuroNight zwischen Wien und Köln. Von Köln aus geht es mit dem ICE weiter nach Amsterdam.