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Ein Pfad führt über eine grüne Alm
Ein Junge gießt Pflanzen, die in einer Holzkiste wachsen
Eine Seilbahngondel schwebt über eine dicht bebaute Stadt

Politik 6/2009

Zurück in die Betonsteinzeit

Der Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung ignoriert den Klimaschutz und setzt auf Straßenbau.

Foto: www.istockphoto.comBald häufiger in Deutschland zu sehen: Autobahnbaustellen.

Der jetzt geltende Koalitionsvertrag ist nicht zu dem Alptraum geworden, den man nach dem Lesen der Programme von CDU, FDP und CSU befürchten musste. In vielen Punkten ist das, was angekündigt wird, auch nicht schlimmer als bisheriges Regierungshandeln. Nur weil es nun eine konservative Regierung gibt, muss der Vertrag nicht automatisch schlecht sein.

Die Koalitionspartner haben einige Punkte in den Vertrag aufgenommen, die positiv hervorzuheben sind. Die Einführung eines Deutschland-Taktes für die Bahn, wie ihn der VCD fordert, soll geprüft werden. Zumindest die Bahninfrastruktur soll nicht privatisiert werden, und bei der Reduzierung des Schienenlärms setzt die Bundesregierung – wie der VCD – auf lärmabhängige Trassenpreise. Sie hat sich auch vorgenommen, den nationalen Radverkehrsplan weiterzuentwickeln. Und entgegen bisheriger Ankündigungen sollen die sogenannten Regionalisierungsmittel für den Nahverkehr ungekürzt erhalten bleiben. Alles natürlich unter dem Vorbehalt der Finanzierbarkeit.

Und doch ist dieser Koalitionsvertrag ein verkehrspolitisches Trauerspiel. Umwelt- und Klimaschutz im Verkehr sind in diesem Papier politisch unterbelichtet. Herausforderungen wie der demografische Wandel, die Finanzkrise oder auch die Begrenztheit günstiger Ressourcen, wie zum Beispiel Erdöl, werden nicht erkannt. Kurzfristige und kurzsichtige Wirtschaftsinteressen einzelner Branchen haben Vorrang vor nachhaltigen Mobilitätsansätzen.

Statt nötiger Kostenwahrheit im Verkehr soll beispielsweise im Interesse der Spediteure die Lkw-Maut eingefroren werden. Damit es mehr Geld für Straßenbau gibt, erhält das System Schiene zukünftig keine Einnahmen aus der Lkw-Maut mehr. Und überlange Riesenlaster sollen bald bundesweit unterwegs sein dürfen. International wettbewerbsfähige Betriebszeiten der Flughäfen sollen sichergestellt werden, indem das Nachtflugverbot gelockert werden kann ­– auf Kosten des Schlafes der Anwohner.

Die neue Bundesregierung erklärt in vielen Punkten, was sie nicht will: Keine Umweltzonen, keine City-Maut, kein Tem­polimit, keine nationalen Alleingänge in Sachen Umweltschutz und Verkehr. Von Ansätzen und Maßnahmen wie Dienstwagenbesteuerung, Kerosinbesteuerung, CO2-Grenzwerten, dem Verkehrssicherheitskonzept Vision Zero oder der Vermeidung von Verkehr steht im Koalitionsvertrag kein Wort. Union und FDP zeigen keine Alternativen auf, wie die immensen Herausforderungen bewältigt werden können. Damit ähnelt diese Politik jener der 80er Jahre. Man glaubt seinen Mythen, setzt auf Straßenbau und ungebremstes Verkehrswachstum. Negative Auswirkungen des Verkehrs sollen allenfalls durch Technologien wie die Elektromobilität langfristig reduziert werden.

Verkehrsminister der neu gewählten Regierung ist Peter Ramsauer (CSU). Er hat sich in seinen ersten Amtstagen für den umstrittenen Ausbau der Donau zwischen Straubing und Vilshofen ausgesprochen, für den Ausbau des Kölner Autobahnrings sowie der A1 und für den Ausbau der Hochgeschwindigkeitstrasse der Bahn von Nürnberg nach Berlin.

Der VCD hofft, dass sich im Ministerium zukünftig eine intelligentere Verkehrspolitik durchsetzt, die auch Umweltbelange berücksichtigt. Denn eine Politik, die den Schutz des Klimas derart ignoriert, gefährdet die Glaubwürdigkeit der Bundesrepublik als Klimavorreiterin und macht langfristig die eigenen notwendigen Minderungsziele unmöglich. Das Verharren in der Betonsteinzeit bedroht die Zukunftsfähigkeit des Wirtschaftsstandortes Deutschland und seiner Unternehmen. Der VCD wird alles dafür tun, eine Wende in der Verkehrspolitik zu erreichen.

Michael Gehrmann
Der Autor ist Bundesvorsitzender des VCD.

fairkehr 5/2023