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Ein Pfad führt über eine grüne Alm
Ein Junge gießt Pflanzen, die in einer Holzkiste wachsen
Eine Seilbahngondel schwebt über eine dicht bebaute Stadt

Service 4/2009

Versteckter Bedienzuschlag

Wegen gekürzter Provision müssen immer mehr DB-Agenturen Servicegebühren erheben.

Foto: DB AG/Hartmut ReicheWer bei Menschen Bahntickets kauft, zahlt oft drauf. Viele Angebote kosten am Schalter mehr als am Automaten oder im Internet.

Sogar die Bundeskanzlerin schaltete sich ein. In einem Telefonat mit dem damaligen Bahnchef Hartmut Mehdorn drückte Angela Merkel im vergangenen Herbst ihr „deutliches Unbehagen über die Bedienzuschläge“ aus. Die Bahn hatte zuvor angekündigt, von Fahrgästen, die sich am Schalter eine Karte kaufen, je 2,50 Euro für Hin- und Rückfahrt zu kassieren. Nach massiven Protesten von Verbänden und Politikern schob die DB ihre Pläne aufs Abstellgleis.

De facto habe das Unternehmen aber doch eine Servicegebühr eingeführt, wirft der Verkehrspolitiker und grüne Bundestagsabgeordnete Winfried Hermann der Bahn vor. Wer sein Ticket in einer Bahnagentur oder am Schalter kauft, zahlt oft mehr als am Automaten oder im Internet. Grund: Die DB hat ihren etwa 3600 Agenturen, das heißt Reisebüros mit DB-Lizenz und sogenannte DB Service-Stores, in den vergangenen fünf Jahren die Provisionen für den Ticketverkauf immer weiter gekürzt. Sie sind deshalb zunehmend darauf angewiesen, von ihren Kunden einen Servicezuschlag zu verlangen. „Das ist die Einführung des Bedienzuschlags durch die Hintertür“, sagt Hermann. „Es ist erklärtes Ziel der Deutschen Bahn, die Vertriebskosten soweit wie möglich zu reduzieren und die Kunden auf die für den Konzern vermeintlich kostengünstigeren Vertriebswege umzulenken.“

In den vergangenen Jahren hat die DB etwa 600 ihrer ursprünglich 1000 Reisezentren geschlossen, vor allem in kleinen Städten und in Dörfern. Die Arbeit übernahmen in etlichen Fällen entlassene DB-Mitarbeiter, die die Tickets nun auf privates Risiko verkaufen.

Servicegebühren, um zu überleben

Ein Bahnsprecher bestätigt, dass es dem Unternehmen um Wirtschaftlichkeit beim Kartenverkauf geht. Natürlich könne man nicht flächendeckend in kleinen Bahnhöfen den gleichen Service bieten wie an Großbahnhöfen. Deshalb habe man die ehemaligen Mitarbeiter bei der Übernahme von Verkaufsstellen unterstützt, die aus DB-Sicht nicht mehr wirtschaftlich betrieben werden konnten.

Das aktuelle Provisionsmodell der DB soll eben jene Agenturen besserstellen, die für das Unternehmen unerlässlich sind und bahneigene Reisezentren abgelöst haben. So erhalten Agenturen im Bahnhof und solche, die die einzige Verkaufsstelle in einer Gemeinde sind, neben der Grundprovision für verkaufte Fahrkarten zusätzlich einen Standortbonus. Auch Agenturen mit einem Monatsumsatz von mindestens 25000 Euro bekommen eine Zusatzprovision.

Helmut Lutz, Mitinhaber der Bahnagentur Kopfbahnhof in Berlin, ist mit diesem Modell gar nicht zufrieden. Für ihn ist es die dritte Provisionskürzung in fünf Jahren, für die gleiche Arbeit bekommt er immer weniger Geld. Deshalb muss er Servicegebühren erheben. „Manche Kunden machen gleich wieder kehrt, wenn sie hören, dass sie einen Zuschlag zahlen sollen“, berichtet Lutz. Wieder andere lassen sich ausführlich beraten, um dann im Internet zu buchen. Um dabei nicht leer auszugehen, hat Kopfbahnhof ein fallabhängiges Beratungsentgelt eingeführt. Die DB sieht darin kein Problem. „Bei Flugreisen sind Servicezuschläge für Beratung und Ticketverkauf in Reisebüros seit Jahren üblich. Die Fluggesellschaften zahlen teilweise gar keine Provision mehr“, sagt der Bahnsprecher.

Wer kein Reisebüro in der Nähe hat, dem empfiehlt er, sich über die DB-Hotline für 14 Cent die Minute telefonisch beraten und sich die Fahrkarte zuschicken zu lassen. Das kostet allerdings 3,50 Euro, wenn die Karte günstiger als 250 Euro ist.

Angebote am Schalter teurer

Am Schalter im Reisezentrum bekommen Bahnkunden Beratung und Tickets zum Normalpreis weiterhin ohne Aufschlag. Für Platzreservierungen und günstige Angebote wie das Schönes-Wochende-Ticket, das Länderticket oder das Dauer-Spezial-Ticket zahlen sie allerdings zwei bis fünf Euro mehr als am Automaten oder im Internet. „Mit anderen Worten“, sagt Grünen-Verkehrspolitiker Hermann, „für den schnellen Profit ignoriert das Unternehmen die Bedürfnisse vor allem älterer Menschen und aller anderen Bahnkunden, die auf Beratung angewiesen sind. Dabei ist die einfache Nutzung des Systems Bahn – hingehen, günstigste Fahrkarte kaufen, losfahren – eine Grundvoraussetzung für dessen langfristigen Erfolg.“ Der Bund müsse als DB-Eigentümer dafür sorgen, dass die Bahn einen flächendeckenden Fahrkartenverkauf durch Menschen anbiete, der die Kunden nichts zusätzlich koste.

„Um dauerhaft wirtschaftlich zu überleben, brauchen die DB-Agenturen mehr Geld“, erklärt Helmut Lutz von der Agentur Kopfbahnhof. „Und das muss von der Bahn kommen. Die Kunden sind nur begrenzt belastbar.“ Dieser Wunsch wird vorerst nicht erfüllt. Das aktuelle Provisionsmodell gilt auch 2010.

    Kirsten Lange

Verband der Premium-Bahnagenturen mit fachkundiger Beratung: www.die-bahnprofis.de

fairkehr 5/2023