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Ein Pfad führt über eine grüne Alm
Ein Junge gießt Pflanzen, die in einer Holzkiste wachsen
Eine Seilbahngondel schwebt über eine dicht bebaute Stadt

Politik 4/2009

Gute Ideen statt Verbote

Die Wirtschaftsexpertin für Energie und Klimaschutz Claudia Kemfert fordert die Bundesregierung auf, effiziente Verkehrstechniken und nachhaltige Mobilität stärker zu fördern.

Foto: www.claudiakemfert.de Claudia Kemfert, 40, leitet seit April 2004 die Abteilung Energie, Verkehr, Umwelt am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) und ist Professorin für Energieökonomie und Nachhaltigkeit an der privaten Eliteuniversität Hertie School of Governance in Berlin. Im Juni 2009 ist ihr neues Buch „Jetzt die Krise nutzen“ ­erschienen, in dem sie die Chancen des Klimaschutzes als Weg aus der Krise ­beschreibt.

Die heutige Gesellschaft steht vor zwei großen Herausforderungen: Zum einen verursachen die modernen Volkswirtschaften Treibhausgase, die den Klimawandel anheizen. Insbesondere durch die Verbrennung von Kohle, Öl und Gas entstehen klimagefährliche Treibhausgase. Zum anderen sind fossile Ressourcen wie Öl und Gas knapp und müssen ersetzt werden. Öl wird nur noch in den kommenden 20 Jahren in ausreichendem Maße zur Verfügung stehen, um die weltweit stark steigende Nachfrage zu decken. Die entwickelten Volkswirtschaften brauchen Energie, um die Lebensgewohnheiten in einer zunehmend globalisierten Welt aufrechterhalten zu können. Wir werden auf Mobilität, zumal angesichts einer zusammenwachsenden Weltwirtschaft, nicht verzichten können und wollen.

Die Welt braucht keine Verbote, sondern gute Ideen. Innovation ist die große Chance für die deutsche und europäische Wirtschaft. Der Verkehrssektor wird sich mehr und mehr zu einer Hochtechnologiebranche entwickeln. Es gibt ungeahnte Wachstumsmärkte für klimafreundliche Automotoren, innovative Antriebstechniken und nachhaltige Mobilitätssysteme.

Neue Techniken nutzen

Der Mobilitätsmarkt der Zukunft wird bestimmt von neuen Antriebstechniken, erneuerbaren Energien und völlig neuartigen Kraftstoffen, die nachhaltig produziert wurden und keine klimagefährlichen Treibhausgase freisetzen. Nur so können wir den Klimawandel eindämmen und uns von fossilen Energieressourcen unabhängig machen. Dazu bedarf es umfangreicher Forschungen und Entwicklungen, der gezielten Markteinführung innovativer Technologien und eines drastischen Umbaus der Verkehrsinfrastruktur.

Das Konjunkturpaket der Bundes­regierung hat nur teilweise die richten Schritte eingeleitet: Es ist richtig, Gelder für die energetische Sanierung von Gebäuden bereitzustellen, zudem ist es richtig, die Verkehrsinfrastruktur, insbesondere den Schienenverkehr, finanziell zu fördern. Es ist jedoch ökonomisch und ökologisch unsinnig, Abwrackprämien zu zahlen. Bei deren Wegfall wird es der Branche hinterher schlechter gehen als vorher. Denn der Automobilsektor litt schon vor der Finanzkrise unter enormen Überkapazitäten. Die Branche müsste sich gesundschrumpfen. Zudem setzt sie auf veraltete Produkte, fördert die Wegwerfgesellschaft und macht das jahrelang mühevolle Aufbauen einer Recyclingwirtschaft im Automobilbereich zunichte. Besser wäre es gewesen, man hätte die fünf Milliarden Euro für die Markteinführung innovativer Technologien eingesetzt.

Die Elektromobilität könnte einige Probleme auf einmal lösen: Der aus erneuerbaren Energien hergestellte Strom könnte gespeichert werden. Somit wür­de man das Problem des Ausgleichs bei Lieferunterbrechungen lösen – die Sonne scheint nicht die ganze Zeit und der Wind weht nicht immer –, vorausgesetzt natürlich, dass es einen technologischen Durchbruch bei den Speichermedien, den Batterien, gibt. Wenn es ihn gibt, wird man auch auf großflächige Stromlieferungen aus fernen Ländern verzichten können. Zudem könnte der Autobranche wirklich nachhaltig geholfen werden.

Mehr Geld für den ÖPNV

Die Bundesregierung hätte darüber hinaus mehr Geld in den öffentlichen Verkehr, den Fuß- und Radverkehr und Car­-Sharing investieren sollen. Die Zukunft der Mobilität liegt nicht im Verzicht und auch nicht in der Rückkehr zu Heißluftballon oder Pferdekutsche, sondern in der Entwicklung neuer effizienter Verkehrstechniken und der Förderung nachhaltiger Mobilität.

Deutschland beherbergt die weltweit führenden Autobauer – noch. Wir sollten die Krise endlich als Chance begreifen, denn wir haben die Wahl: Strohfeuer abbrennen für abgewrackte Produkte der Vergangenheit oder in wachstumsträchtige Branchen der Zukunft investieren. Es gibt eine lange Liste an Ideen und Lösungen für die Wirtschaftskrise – wenn man nachhaltig denkt! Wenn wir die politischen Weichen klug stellen, schlagen wir drei Krisen mit einer Klappe: Wirtschafts-, Energie- und Klimakrise!

fairkehr 5/2023