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Ein Pfad führt über eine grüne Alm
Ein Junge gießt Pflanzen, die in einer Holzkiste wachsen
Eine Seilbahngondel schwebt über eine dicht bebaute Stadt

Editorial 3/2009

Generation Mietwagen

Foto: Marcus Gloger

Stellen Sie sich vor, Sie schenken Ihrem Kind ein Auto zum Abitur und das Kind sagt: „Meine lieben Eltern, da hätte ich aber andere Dinge viel mehr gebraucht!“ Und das Kind meint so Dinge wie iPod, Laptop, vielleicht sogar eine Bahncard oder ein cooles Bike.

So, oder so ähnlich, spielt sich momentan ein Generationskonflikt der neuen Art ab. Während die Elterngeneration noch mit dem Auto als Symbol für Zugehörigkeit und Status aufgewachsen ist, zählen für die Jugendlichen heute andere Werte. Man ist in der vernetzten Welt dabei, man chattet im globalen Dorf und fliegt vielleicht noch „billig“ nach London oder Paris. Wenn Preis und Produkt stimmen, geht das aber auch gut mit dem Zug. Nur das Auto als Türöffner zur großen Freiheit hat, so scheint’s, seinen Nimbus verloren. Während vor 30 Jahren die Jungs mit dem lautesten Moped oder dem tiefergelegten Ford Escort mit Spoiler die Helden bei den Mädchen waren, ist der Schrauber mit intimer Kenntnis von Vergaser und Zylinderkopf heute nur noch in ländlichen Schutzreservaten angesagt.

Inzwischen identifizieren auch die großen Automobilhersteller diesen Paradigmenwechsel als größte Bedrohung für ihre Absatzzahlen. Daimler wie Toyota sehen mit Sorge die Lust am Blech in der jungen, trendigen Generation der Großstadteliten bröckeln. Diese Spezies sucht Premium-Mobilität, aber nicht das Premium-Auto vor der Tür. Das Fahrradverleihsystem in Paris passt in diesen Lebensentwurf, die neueren CarSharing-Angebote von DB Rent, Sixt und Daimler ebenso. Mit TÜV, Ölwechsel und klappernden Geräuschen unter der Motorhaube will man sich nicht belasten, man mietet sich Automobilität bei Bedarf und überlässt das Schrauben den Dienstleistern.

So gesehen ist das noch vorsichtige Umsteuern in der Modellpalette der ­Automobilhersteller zu VW Up, Toyota IQ oder Smart, dem lange ungeliebten Kind bei Daimler, mehr die Bedienung eines Modetrends als die Entdeckung der Nachhaltigkeit.

Viel zu lange schon bestimmen ältere Herren, die noch in der Schrauber-Ära sozialisiert wurden, Aussehen und Motorisierung der Automobile. General Motors hat diese limitierte Sicht der Welt gerade in die Insolvenz geführt. Die etablierte Premium-Gesellschaft muss aufpassen, dass sie nicht mit kurzer Verzögerung folgt.
Die Trendscouts des fortgeschrittenen Kapitalismus haben längst Witterung aufgenommen. Der belgische Werbepapst Guillaume van Stichelen, keineswegs mehr jung, aber bestimmt jedem Trend auf der Spur, gab auf der internationalen Fahrradkonferenz Velo-city in Brüssel folgende Geschichte zum Besten: „Ich war in einem total angesagten Hotel in New York, in dem nur total angesagte Menschen absteigen. Dieses Hotel verleiht Fahrräder an seine Gäste. Ich habe die Stadt aus einer völlig neuen Perspektive erlebt. Beim Geschäftstermin in einem sehr angesagten Café kamen meine Gesprächspartner mit ihren Porsches, Aston Martins und Mercedes Benz – und ich kam mit dem Fahrrad. Ich war die große Show und Al Gore war mein Freund. Das ist es, worum es geht: Was ist chic? Was bringt Aufmerksamkeit und Status?“

Achten Sie auf Ihren Status, fahren Sie mehr Rad!

Michael Adler

fairkehr 5/2023