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Ein Pfad führt über eine grüne Alm
Ein Junge gießt Pflanzen, die in einer Holzkiste wachsen
Eine Seilbahngondel schwebt über eine dicht bebaute Stadt

Reise 2/2009

Abenteuer, kein Urlaub

Interrail ist auch in Zeiten der Billigflieger bei jungen Menschen beliebt. Robin Tunger, Sabrina Knoblauch, Nils Holtmannspötter und Manuel Doninger erzählen, warum.

Foto: Robin TungerBastia auf Korsika war eins der Ziele auf Robin Tungers Interrail-Reise. Auf den Fähren dorthin bekommen Interrailer Rabatt.

Reise zu mir selbst

Nach dem Zivildienst wollte ich länger verreisen, am besten meine Geldbörse und die Umwelt schonend mit dem Zug. Ich wollte möglichst frei und spontan entscheiden können, mich am liebsten gar nicht festlegen. Interrail war die beste Wahl. Erstmal wollte ich mir den alten Traum von Korsika, den ich seit der Lektüre des Asterixbandes hatte, erfüllen. Als weitere Fixpunkte wählte ich Barcelona und Dublin – eigentlich schon zu viel Planung. Über Luxemburg und Nancy reiste ich nach Marseille. Im Zug hatte ich ein paar Polen kennengelernt, die mit mir bis spät um die Häuser zogen. Weil das Hotel um Mitternacht zugemacht hatte, musste ich mir die Nacht auf der Straße um die Ohren schlagen.

Es folgten fast zwei Wochen wunderschönes Korsika. Für die dortige Bahn musste ich leider etwas zuzahlen, was mich aber nicht abschreckte, vom urigen Bastia nach Corte zu zuckeln, wo ich ein paar Tage mit zwei Münsteranern die Berge erkundete.

Foto: PrivatVon einer Korsika-Reise träumte Robin Tunger seit der Lektüre des entsprechenden Asterix-Bandes. Mit Interrail hat er sich den Wunsch ­erfüllt.

Barcelona überforderte mich nach dem beschaulichen Korsika. Ich blieb nur zwei Nächte und fand mich am nächsten Abend in Paris wieder. Die Nacht verbrachte ich wieder mal auf der Straße. Bis zum Eiffelturm und zurück zu laufen passte perfekt bis zur Abfahrt des Eurostar vom Gare du Nord.

Nächste Station: Dublin! Dort zog ich von Pub zu Pub und lernte jede Menge interessanter Menschen kennen. Meine Idee, ins Inselinnere vorzudringen, scheiterte am schlechten Wetter. Stattdessen verbrachte ich meine letzten Interrail-Tage in Rotterdam, wo ich einen Amerikaner wiedertraf, der mir schon in Dublin begegnet war. Zufällig waren wir unabhängig voneinander am gleichen Tag in Rotterdam angekommen und hatten dasselbe Hostel ausgesucht.

Ich habe in diesem Monat Interrail zu mir selbst gefunden. Die Hochs und Tiefs, das Schöne und das Hässliche, das Sich-nicht-unterkriegen-Lassen und vor allem die vielen guten Menschen haben dazu beigetragen: Matt, der Amerikaner, Anya, die Korsin, oder Maurane, der Senegalese, der mit mir bis Sonnenaufgang durchs nächtliche Marseille spazierte.

Robin Tunger, 20 Jahre

Wasa auf der Wiese

Mit einem Freund war ich im Sommer 2008 für einen Monat mit Interrail in ganz Europa unterwegs. Ziel war es, einen Überblick zu bekommen und dann bei späteren Interrail-Reisen einzelne Regionen genauer kennenzulernen.

Gereizt hat mich an Interrail vor allem die damit verbundene Freiheit. Darin sehe ich auch den Vorteil gegenüber Flugreisen. Im Zug bekommt man die wunderbaren Landschaften zu sehen, und wenn man gerade Lust hat, steigt man am nächsten Bahnhof aus und schaut sich alles in Ruhe an. Abgesehen davon bietet der Zug eine warme Übernachtungsmöglichkeit in regnerischen Nächten, wenn das Geld für Unterkünfte fehlt.

Foto: Marco HitzekMit Interrail verbindet Sabrina Knoblauch vor allem ein Freiheitsgefühl – fahren, wohin und wann man möchte.

Ein Punkt hat uns die Reise allerdings erschwert: reservierungspflichtige Züge. In vielen Ländern war es deshalb nützlich, das Kursbuch Europa dabeizuhaben, was es aber leider ab Mitte Juni dieses Jahres nicht mehr in gedruckter Form bei der DB geben wird. Beispielsweise sollten wir, um von Trondheim nach Bergen zu gelangen, 60 Euro pro Person für einen Bus zahlen, da angeblich alle Züge ausgebucht waren. Dank des Kursbuchs haben wir eine reservierungsfreie Verbindung gefunden und konnten das Geld für wichtigere Dinge aufheben.

Wir hatten nur einen sehr groben Plan, als wir zu unserer spontanen Reise aufbrachen. Ehe wir uns versahen, waren wir über 48 Stunden auf den Beinen, mit fast 20 Kilo schweren Rucksäcken. Nachdem der Zug nach Stockholm über eine Stunde auf der Strecke stand, wurde uns erklärt, dass wir mit dem Schienenersatzverkehr weiter müssten. Draußen stand ein Bus, der aber mit etwa einem Viertel der Fahrgäste schon randvoll war. Da uns langsam die Kräfte ausgingen, versicherten wir uns, dass in Schweden wildes Campen erlaubt ist. Wir beschlossen, uns einen Schlafplatz zu suchen und am nächsten Tag mit dem Zug weiter nach Stockholm zu fahren. So genossen wir unseren Schlaf auf einer Wiese zwischen Wohnhäusern und Industriegebäuden. Man darf sich durch solche kleine Planänderungen nicht entmutigen lassen, so etwas passiert immer wieder während der Reise. Am nächsten Morgen im Sonnenschein aufzuwachen und matschige Bananen mit pappigem Baguette und Wasa zu essen, war unbeschreiblich und wahrscheinlich der erste Moment, in dem wir uns so richtig frei fühlten.

Alles in allem war die Interrail-Reise eines der größten Abenteuer meines Lebens. Es ist ein wahnsinniges Gefühl, einfach durch Europa zu reisen, immer wieder auf neue Menschen, Sprachen und Kulturen zu treffen.

Man denkt vielleicht, dass so viel Zugfahren langweilig und nervig sei. Aber ich habe jeden Moment genossen, sei es mit Lesen, Musikhören oder einfach hin­aus in die Ferne blicken. Wenn ich nun einen Zug sehe, möchte ich einsteigen und einfach wieder losfahren!

    Sabrina Knoblauch, 21 Jahre

 

Dahin, wo’s am schönsten klingt

Foto: PrivatNils Holtmannspötter schwört auf Interrail: Drei Touren durch Europa hat er hinter sich, diesen Sommer folgt die vierte.

Ich bin Student und habe bereits drei Interrail-Touren hinter mir – trotz Billigflieger und Ibiza-Trends. Denn die Bahnreise durch verschiedene Länder ist ein Erlebnis an sich! Wie die ungewohnten Landschaften an einem vorbeiziehen, die Ungewissheit, wo man schlafen wird, was bzw. mit wem man zu Abend essen wird, ist einfach unbeschreiblich. Die vielen einzigartigen Eindrücke von Land und Leuten abseits des Massentourismus, die man in einem Pauschalurlaub nie bekommen würde, sind unbezahlbar. Was mir besonders gefällt, ist das Gefühl von Freiheit: Einfach zum Bahnhof fahren, auf der Anzeigentafel gucken, was am schönsten klingt, und auf geht’s!

Es ist natürlich nicht immer nur ein Zuckerschlecken, wenn man manchmal viele Stunden am Bahnhof und im Zug verbringt. Aber das gehört einfach dazu.

Besonders im Gedächtnis geblieben ist mir die missglückte Fahrt von Griechenland nach Mazedonien. Auf der Polizeiwache hatten wir einen Aufenthalt von mehreren Stunden wegen eines fehlenden Reisepasses, der Personalausweis reichte einfach nicht aus. Es war dennoch ein lustiges Erlebnis. Wir haben uns unter Polizeiaufsicht blendend mit zwei Franzosen verstanden, zusammen getrunken und Karten gespielt.

Nils Holtmannspötter, 24 Jahre

„Widrigkeiten gehören dazu“

Foto: PrivatDer 22-jährige Manuel Doninger reiste im Sommer 2007 mit Interrail durch Holland, Belgien, Frankreich, Portugal und Spanien.

Warum hast du dich für Interrail entschieden?
Da ich in einer Bahner-Familie aufgewachsen bin – mein Vater war DB-Mitarbeiter – war der Bezug schon immer da. Ein wichtiger Punkt war natürlich die Kostenfrage. Das Ticket ist meiner Meinung nach auch nach den ganzen Preiserhöhungen der vergangenen Jahre recht günstig, zumindest, wenn man in Westeuropa unterwegs ist. In Verbindung mit Jugendherbergen und Campingplätzen kann man einen vierwöchigen Urlaub für unter 1200 Euro bekommen. Außerdem sagt mir zu, dass man einfach mehr in Europa rumkommt als bei einem normalen Urlaub. Bei meiner Interrailtour waren es über 8000 Kilometer Zugstrecke.

Aber fliegen ist doch mittlerweile auch sehr günstig – und obendrein bist du schnell überall in Europa.
Fliegen ist ja nur billig, wenn man frühzeitig bucht. Das ist bei mir schon weggefallen, da ich den Plan zur Interrailtour recht spontan ­gefällt habe. Außerdem sind die Flughäfen der Billigflieger in der Regel in der Pampa, so dass dann immer noch das Problem besteht, vom Flughafen in die Stadt zu kommen. Ich habe die Devise, wo man Zug fahren kann, muss man nicht fliegen. Ein gewisses Umweltbewusstsein spielt da auch eine Rolle.

Was gefällt dir besonders am Interrail-Angebot?
Die Flexibilität, auch wenn die inzwischen nicht mehr so vorhanden ist, da für die meis­ten Fernzüge Reservierungspflicht besteht, besonders in Frankreich und Spanien.

Was findest du weniger gut?
Die meisten Negativpunkte gehen auf das Konto der jeweiligen Bahnen, beispielsweise die teuren Zuschläge in Spanien bei den ­Hotelzügen. Wenn man in bestimmte Länder reist, lohnt sich außerdem das Interrail-Ticket nicht immer. Gerade in Italien oder Osteuropa sind reguläre Bahntickets oftmals günstiger.

Was hat dich auf deiner letzten Reise besonders beeindruckt?
Auch wenns sich etwas seltsam anhört, aber gerade die kleinen Widrigkeiten haben mir gefallen. Beispielsweise die verzweifelte Bushaltestellensuche in Lissabon, der komplizierte Fahrkartenkauf in Sevilla, aber auch die nette Zugbegleiterin im Zug nach Valencia, die uns einige Tipps gegeben hat. Die Interrail-Tour war in meinen Augen auch kein ­Erholungsurlaub, sondern mehr ein Abenteuerurlaub, und da gehört so etwas dazu.

Interview: Kirsten Lange

fairkehr 5/2023