fairkehr VCD-Magazin für Umwelt, Verkehr, Freizeit und Reisen

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Ein Pfad führt über eine grüne Alm
Ein Junge gießt Pflanzen, die in einer Holzkiste wachsen
Eine Seilbahngondel schwebt über eine dicht bebaute Stadt

Titel 1/2009

Mehr ­Freude­ in Bus und Bahn

Mit frischen Ideen und guten Konzepten wollen viele Verkehrsverbünde ihr Image verbessern und neue Kunden gewinnen – auch mit Unterstützung des VCD vor Ort.

Flirten mit der BVG

Fotos: Marcus Gloger

Das passiert Ihnen im Auto niemals: Der schöne Unbekannte von der Sitzbank gegenüber, den Sie schon die gesamte Fahrt über verstohlen beobachtet haben, sagt Ihnen mit warmer Stimme „tschüß“, bevor er aus der S-Bahn aussteigt. Dumm nur, dass sich nun in der Großstadt jede Spur des Fremden verliert. Die Berliner Verkehrsbetriebe BVG  helfen sehnsüchtigen Herzen mit dem Online-Service „Meine Augenblicke“. Wer das schüchterne Lächeln der Nachbarin am Ticketautomaten vor Überraschung nicht erwidert hat, kann unter „Meine Augenblicke“ eine Suchanzeige veröffentlichen. Oder nachschauen, ob die schüchtern Lächelnde nicht vielleicht selbst schon Ausschau hält.

www.bvg.de

In Hannover mobil

Das Rundum-Sorglos-Mobil-Paket bekommen Kundinnen und Kunden des Großraum-Verkehrs Hannover (GVH) für knapp sieben Euro im Monat. Wer ein GVH-Jahresabo oder ein Semesterticket besitzt, kann für 6,95 Euro das Paket HANNOVER mobil dazubuchen. Es umfasst unter anderem eine kostenlose Bahncard 25, Sondertarife für Taxifahrten und Mietwagen und die Nutzung von CarSharing zum günstigen Tarif.
Spätestens dann wird das eigene Auto in der niedersächsischen Landeshauptstadt überflüssig.

www.gvh.de/hannovermobil.html

Einheitstarif und Räder gratis

Was viele Menschen vom Bus- und Bahnfahren abschreckt, ist der Tarif- und Fahrplandschungel in manchen Landkreisen und Regionen. Der Landkreis Cham in der Oberpfalz fasste deshalb bereits 1993 alle Buslinien der damals 12 Unternehmen in einem Fahrplanbuch zusammen. Mittlerweile um­fasst die Ausgabe drei Bahn- und mehr als 60 Buslinienfahrpläne. „Eine bemerkenswerte Leistung für die stark ländlich geprägte Grenzregion“, sagt Günter Schmauder vom VCD Cham, der mit dem örtlichen Verkehrsverbund nach eigenen Angaben sehr gut zusammenarbeitet. Auf den meisten Linien im Landkreis gilt ein Einheitstarif mit Tarifzonenplan. Fahrräder werden innerhalb des Landkreises in den Zügen kostenlos transportiert. Seit Mai 2008 gibt es außerdem in den Sommermonaten eine Wanderbuslinie ins benachbarte Tschechien.

www.landkreis-cham.de

Zehn-Minuten-Takt in Freising

Mit einem für eine Kleinstadt dichten Taktverkehr von zehn Minuten und mit Erdgas betriebenen Neigetechnik-Niederflurbussen macht die Freisinger Parkhaus und Verkehrs GmbH ihren Kunden das Busfahren schmackhaft. „Die Stadtbusse sind komfortabel“, wirbt das Unternehmen selbstbewusst auf seiner Internetseite für seine „modernen Fahrzeuge mit Klimaanlage und wärmegedämmter Panoramaverglasung“.
Auffällig ist auch, dass die Busse in der 45000-Einwohner-Stadt komplett ohne Werbung unterwegs sind. So haben Einheimische und Touristen jederzeit einen schönen Blick auf die mit 1300 Jahren älteste Stadt zwischen Bozen und Regensburg.

www.stw-freising.de

Fahrgäste bestimmen mit

Viele Verkehrsverbünde haben mittlerweile Fahrgastbeiräte eingerichtet. Vertreter der Verkehrsgesellschaften diskutieren in diesen Gremien mit Bus- und Bahnkunden sowie Vertretern von Verbänden über Probleme und nehmen Verbesserungsvorschläge entgegen. Unter anderem durch das Engagement des VCD vor Ort gibt es in Frankfurt seit zehn Jahren einen Fahrgastbeirat. Für Stephan Kyrieleis vom VCD Frankfurt ist das Gremium der Nahverkehrsgesellschaft traffiQ „im Gegensatz zu anderen Fahrgastbeiräten mehr als ein einseitiges Verkündigungsorgan der Verkehrsgesellschaften“. Die Mitsprache der Bus- und Bahnkunden ist nicht nur durch die vierteljährlichen Sitzungen gewährleistet. Darüber hinaus beschäftigen sich Arbeitsgruppen kontinuierlich mit aktuellen Themen, beispielsweise damit, wie sich Umgebungspläne an Haltestellen neu gestalten lassen.

Um die Qualität von Bus- und Bahnhaltestellen kümmert sich zurzeit auch der VCD Frankfurt. Fahrgäste können die Haltestellen in der Region in einem Fragebogen bewerten. Gefragt wird unter anderem nach Sauberkeit, Sicherheit und danach, wie gut Informationen erhältlich sind. Die Ergebnisse wird der VCD in einer Broschüre veröffentlichen und im Fahrgastbeirat diskutieren.

 

Fahrgastbeirat: www.traffiq.de
Haltestellentest: www.vcd-frankfurt.de

 

Erfolge für Senioren

Auch in der Volkswagen-Stadt Wolfsburg können die Einwohner das Busfahren durch eigenes Engagement verbessern. Seit 1996 treffen sich Verbände, darunter der VCD, und Einzelpersonen vierteljährlich mit der Betriebsleitung der Wolfsburger Verkehrs GmbH zum Fahrgastgespräch. Wie Theodor Diercks vom VCD Wolfsburg erklärt, hätten die Gespräche gerade auch für ältere Menschen Erfolge erzielt. So stellte die Stadt neue Wartehäuser auf, in den Bussen werden die Haltestellen angekündigt und auf einigen Linien hat sich der Takt verbessert.

Theodor Diercks, Tel.: (05361) 71601

Kleinste Straßenbahn Deutschlands

16 Jahre lang waren die Schienen zwischen Hauptbahnhof und Innenstadt im sachsen-anhaltinischen Städtchen Naumburg verwaist.  Doch seit März 2007 pendelt die „Wilde Zicke“, wie Einheimische die historische Straßenbahn liebevoll nennen, die zweieinhalb Kilometer lange Strecke wieder täglich – als Touristenbahn für Gäste und Einwohner. Sie ist die kleins-te Straßenbahn Deutschlands. Nachdem die Stadt den Betrieb 1991 eingestellt hatte, setzten sich junge Menschen unermüdlich für die „Wilde Zicke“ ein. VCD-Mitglieder gründeten 1994 die Naumburger Straßenbahn GmbH, die bis 2007 ehrenamtlich ­arbeitete.

Bis Ende dieses Jahres ist der tägliche Betrieb nach Aussage von Andreas Messerli, Geschäftsführer der Naumburger Straßenbahn, gesichert. Wie es weitergeht, ist allerdings unklar. „Wir bemühen uns deshalb um einen besonderen Service für alle Fahrgäste: Jeder wird vom Fahrer persönlich begrüßt und kauft oder zeigt den Fahrschein“, erklärt Messerli. „Der Fahrer hilft beim Einsteigen in die historischen Wagen und gibt den Touris­ten Tipps, wo die Sehenswürdigkeiten stehen und wo man gut isst.“ Die Straßenbahn kann auch für Sonderfahrten gemietet werden.  „Wir dürfen uns über stetig wachsende Fahrgastzahlen freuen“, sagt Messerli.

www.naumburger-strassenbahn.de

Klimasternchen für Esslingen

In der historischen Altstadt von Esslingen am Neckar und in den engen Gassen ihres dicht besiedelten Kerns ist Mobilität mit möglichst wenig Autos schon immer wichtig gewesen. Stadt- und ­Regional­­busse wurden besser vertaktet, zur Optimierung des städtischen ÖPNVs wurden Busspuren eingerichtet und neue Technik angeschafft. Ein Verkehrsrechner steuert nun das Geschehen auf den Straßen und sorgt für die Kommunikation zwischen Leitstelle und Busfahrern.
Als eine der letzten deutschen Städte hat Esslingen sein O-Bus-System, wie es in der Nachkriegszeit weit verbreitet war, behalten und in den 1970er Jahren sogar noch weiter ausgebaut. Die Busse fahren elektrisch und beziehen wie eine Straßenbahn den dafür nötigen Strom aus einer über die Straße gespannten Oberleitung. So wird der wenig durchlüftete Neckartalraum nicht noch zusätzlich mit Bus-Abgasen belastet.

Für das Esslinger Engagement in Sachen städtischer Mobilität gab es 2007 den „Climate Star“ in der Größenkategorie 10000 bis 100000 Einwohner. Die vom europäischen Städtenetzwerk Klimabündnis alle zwei Jahre verliehene Auszeichnung lobt nachhaltige Mobilität und Klimaschutz. Mehr als 50 Städte aus elf europäischen Ländern hatten an dem Wettbewerb teilgenommen. Esslingen war die einzige deutsche Stadt, die eine Auszeichnung erhielt.

Michael Schwager

Busfahrer zum Tauschen

Mit einer Sammelbildaktion haben die Pinneberger Verkehrsgesellschaft PVG und die Verkehrsbetriebe Hamburg-Holstein VHH für ein besseres Miteinander von Busfahrern und Fahrgästen gesorgt. Im September 2007 brachten PVG und VHH eine Million Klebebildchen mit den Konterfeis von mehr als 80 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für ein Sammelalbum in den Umlauf. Begeisterte Busfahrer verkauften die Bilder und Alben gleich selbst am Arbeitsplatz. Die Aktion war Teil der Image-Kampagne „Ein Herz für Busfahrer“. Nach Angaben des Pressesprechers Rolf Westphalen hielt die Sammelwut von Fahrgästen und PVG-Mitarbeitern mehr als ein Jahr lang an. Auch ganze Schuljahrgänge hätten sich an der Aktion beteiligt.
Überhaupt legt die PVG bei der Imagepflege Wert auf ihre jüngsten Kunden. So bietet die Verkehrsgesellschaft unter anderem Kindergeburtstage auf dem Betriebshof an, wo der Nachwuchs die Waschanlage besichtigen, sich im „Busschieben“ beweisen und sogar – natürlich unter Aufsicht – selbst fahren kann.

2005 bekamen PVG und VHH den ersten Preis im Wettbewerb „König Kunde“, der herausragende Dienstleistungen im Bereich ÖPNV auszeichnete. Prämiert wurde die Idee, in der Bevölkerung Sprecher und Sprecherinnen für Haltestellenansagen zu casten und sie auf diese Weise einzubinden. Je nach Haltestellenname oder wichtigen Einrichtungen in der Umgebung sollten die Ansagen von jüngeren oder älteren Stimmen gesprochen werden. Aus 400 Bewerberinnen und Bewerbern wählten die Verkehrsbetriebe aus verschiedenen Altersgruppen drei aus, die anschließend alle 3000 Haltestellen im Verkehrsgebiet neu einsprachen.

www.vhhpvg.de

fairkehr 5/2023