Reise 1/2009
Kleine Winterfluchten
Damit das Neue Jahr gleich gut anfängt: Nicht zu viel drinnen hocken, sondern öfter mal raus an die Luft gehen, dem Alltag entfliehen – für ein paar Stunden oder Tage.

Geheimtipp für Reiter und solche, die es werden wollen: ein Nachmittag auf dem Rücken von Haflingern und Quarter Horses im tief verschneiten Rosengarten in Südtirol. Seit diesem Winter können Urlauber die Dolomiten aus einer entspannenden Perspektive genießen: vom Pferderücken aus. Sportlichen Menschen und Pferdefreundinnen, die eine Auszeit vom Lift- und Pistenfahren suchen, bietet Jürgen Pardeller geführte Ausritte auf seinen Haflingern und Quarter Horses an. „Für mich ist Reiten ein Ausgleich, Zeit zum Genießen“, sagt der 33-jährige Landwirt.
Auf 1700 Metern Höhe liegt die Angerle-Alm unter tief verschneiten Hängen mit Blick auf die Felsenformation des Rosengarten. Gegenüber dem Wohn- und Gästehaus befinden sich der Stall und die Reithalle. 20 Pferde überwintern hier zurzeit. In der Sattelkammer hängen Trensen und Sättel bis unter die Decke, eine Wand schmücken Kinderzeichnungen von Pferden mit fliegenden Mähnen. Im Stall nebenan wird es unruhig. Die Tiere kennen das Geräusch von klirrendem Zaumzeug und knarrendem Leder. Noch haben nicht alle Vierbeiner einen wintertauglichen Hufbeschlag: nach innen überlappende Gummieinsätze unter den Eisen, die verhindern, dass der Schnee in die Hufe hineingepresst wird.
Raus in den Schnee
Wir lassen jeden Reiter erst mal ein paar Runden in der Halle drehen“, sagt Jürgen Pardeller. Wer sich sicher auf dem Pferderücken halten kann, für den ist auch eine Tour im verschneiten Gelände kein Problem. Anfängern und Kindern hilft Reitlehrerin Andrea Rieder.
Auf der schneeglatten Straße gehen die Pferde vorsichtig, nur die Haflingerstute Zanzi rutscht ein paar Mal aus. Reitlehrer Jürgen sitzt locker auf seinem Quarter Horse Jester, die Zügel in der rechten Hand. Seine Beine in blauen Jeans und spitz zulaufenden Lederstiefeln schmiegen sich an die Flanken des Hengstes. Nein, man müsse kein Cowboy sein, um hier reiten zu können. „Unsere Pferde sind sowohl im Westernstil als auch klassisch ausgebildet.“
Nach einem kurzen Stück wird klar, warum die Winterritte Sattelfestigkeit erfordern: Jürgen Pardeller biegt mit Jester von dem geräumten Feldweg nach rechts ab, die kleine Truppe folgt ihnen – und schon stehen die Pferde bis über die Brust im Schnee. Jack unternimmt ein paar angestrengte Hüpfer und bleibt schwer atmend stehen. Der unerschrockene Haflinger Sympatico steckt die Schnauze vor sich in den Schnee und schnaubt, dass das weiße Pulver nur so fliegt. Zanzi, die einige Meter hinter der Gruppe hertrottet, spitzt nervös die Ohren. Ihre Reiterin springt vorsorglich ab. Pardeller beruhigt die Flachlandreiter: „Es ist nicht gefährlich, ihr müsst nur aufpassen, wenn die Pferde einsacken.“

Die trittfesten Haflinger sind hervorragend an die alpine Berglandschaft Südtirols angepasst.
Meter für Meter kämpfen sich die Pferde durch die Schneemassen, dann zeigt Jürgen Pardeller auf den Waldrand. „Dort oben kommt die Loipe, daneben soll ein Reitweg entstehen.“ Deutlich sind die Spuren der Schneeraupe zu erkennen, die den vielen Neuschnee der letzten Tage zusammengepresst hat. Die Gruppe setzt sich wieder in Bewegung, die Pferde schnauben und schreiten bedächtig bergan. Langsam beruhigen sich auch die Reiterinnen und Reiter, genießen die Stille, lauschen dem Atem der Tiere und dem Knirschen unter den Hufen. Wo es die Wegverhältnisse zulassen, lässt Reitführer Pardeller die Gruppe traben oder kurz in Galopp fallen. Durch den märchenhaft verschneiten Wald geht es schließlich langsam zurück Richtung Alm. Langsam deshalb, weil die Tiere hart arbeiten müssen, um vorwärtszukommen. Obwohl der Forstweg präpariert wurde, ist der Schnee sehr tief und hält den schweren Leibern nicht immer stand. Die Reiter müssen sich mit den Beinen gut festhalten, doch das holprige Vorwärtsstapfen ist Genuss pur.
Reiten als Geheimtipp
Die Nachfrage nach solchen Alternativen zum Wintersport wächst. Das weiß auch Marion Weissensteiner vom Tourismusverband Rosengarten-Latemar. Trotzdem soll das Reitangebot im Winter nicht weiter ausgebaut werden. „Die Schwerpunkte liegen immer noch beim Skifahren und Langlaufen.“ Reiten ist noch ein Geheimtipp, Jürgen Pardeller hat nur eine handvoll Mitbewerber in ganz Südtirol gezählt. „Am schönsten ist das Reiten nachts, wenn der Mond auf den Schnee scheint und alles glitzert“, schwärmt er. Von Januar bis April gibt es alle vier Wochen Ausritte bei Vollmondlicht. So lange will die Gruppe aber nicht warten. An die richtig dicken Schuhe, Hosen und Handschuhe haben die meisten nämlich nicht gedacht.
Dana Hoffmann