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Ein Pfad führt über eine grüne Alm
Ein Junge gießt Pflanzen, die in einer Holzkiste wachsen
Eine Seilbahngondel schwebt über eine dicht bebaute Stadt

Politik 6/2017

Bahn und Bus: das Umsteigen optimeren

Ein deutschlandweit abgestimmter Taktverkehr verkürzt die Reisezeiten für Fahrgäste von Bahnen und Bussen. Der VCD fordet daher den Deutschland-Takt.

Ein roter Regionalzug der Deutschen Bahn steht am Bahnsteig.
Umsteigen, ohne zu hetzen und ohne zu lang zu warten: Der Deutschland-Takt solls möglich machen.

Ankunft mit der Regionalbahn am Hauptbahnhof. Der Zug ist pünktlich. Es bleiben noch 40 Minuten bis zur Weiterfahrt mit dem ICE. Zeit für einen Kaffee. Diese Szene könnte sich in Hannover, Nürnberg oder Lübeck abspielen. Es könnte sich um fast jeden größeren Bahnhof in Deutschland handeln. Für einige Fahrgäste mag eine ausgedehnte Kaffeepause einen entspannten Start in den Tag bedeuten. Für die meisten ist sie schlicht Zeitverschwendung.

Die komplexen Netze von Fern- und Regionalverkehr sind bis heute nur eingeschränkt aufeinander abgestimmt. Gerade an den Grenzen der Bundesländer oder zwischen Fern- und Nahverkehr fehlt oft ein direkter Anschluss. Der Deutschland-Takt will damit aufräumen. Mit dem Deutschland-Takt fahren Züge aufeinander abgestimmt jede Stunde, in jede Richtung, zur selben Minute.

Doch anstatt den für alle komfortablen Deutschland-Takt einzuführen, hat die Bundespolitik bisher vor allem auf Prestigestrecken gesetzt. Am 8. Dezember wird die neue ICE-Schnellfahrstrecke von Berlin nach München eröffnet. Deren Bau hat zehn Milliarden Euro verschlungen. Viel Geld für eine Bahnstrecke, von der zunächst nur jene Menschen profitieren, die in der Nähe wohnen. Hochgeschwindigkeitsstrecken sind zweifellos wichtig, da sie Reisenden eine klimafreundliche Alternative zum Inlandflugverkehr bieten. Mit dem Fahrplanwechsel am 10. Dezember wird es neue, zusätzliche Direktverbindungen geben. Doch auch Fahrgäste, die aufs Umsteigen zwischen Linien angewiesen sind, brauchen schnelle Verbindungen durch verlässliche Anschlusszüge.

Der Takt kommt in Fahrt

Eine Studie des Bundesverkehrsministeriums zeigte 2015, dass der Deutschland-Takt möglich ist und für erhebliche Reisezeitverkürzungen sorgen kann. Mittlerweile bestätigt auch die Bundesregierung den Nutzen. In einer Allianz mit sieben Bahnverbänden hat der VCD im Jahr vor der Bundestagswahl intensiv für den Deutschland-Takt geworben – mit ersten Erfolgen. Im Frühjahr veröffentlichte das Verkehrsministerium den Entwurf für einen zukünftigen Taktfahrplan im Bahnverkehr – eine erste Basis für den Deutschland-Takt. Detaillierte Planungen sollen in den kommenden Monaten folgen.

Im Wahlkampf haben sich mehrere Parteien, einschließlich CDU/CSU und Grüne, zum Deutschland-Takt bekannt. Nun besteht die Chance, dass die Zeit der Bekenntnisse endet und die neue Koalition ihren Worten Taten folgen lässt. Konkret bedeutet das, alle Bauvorhaben, die dem Deutschland-Takt dienen, werden priorisiert und das Schienennetz wird sinnvoll ausgebaut. Oft reichen kleine Maßnahmen. Gebaut wird, was allen Fahrgästen nutzt, auch ein unspektakulärer Lückenschluss oder ein zusätzliches Gleis. So kann der Deutschland-Takt zu einem zentralen Baustein der Verkehrswende werden.

Die Schweizer haben sich bereits 1987 für diesen Weg entschieden. Heute fahren sie doppelt so oft mit öffentlichen Verkehrsmitteln wie die Deutschen – und trinken ihren Kaffee vermutlich während der Fahrt im Bordrestaurant.

Philipp Kosok
VCD-Bahn- und ÖPNV-Referent

fairkehr 5/2023