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Ein Pfad führt über eine grüne Alm
Ein Junge gießt Pflanzen, die in einer Holzkiste wachsen
Eine Seilbahngondel schwebt über eine dicht bebaute Stadt

Politik 3/2011

Hilfe beim Umsteuern

Keine Bundesregierung traut sich, das ökologisch, wirtschaftlich und sozial umstrittene Steuerprivileg für Dienstwagen abzuschaffen. Dabei wäre die deutsche Autoindustrie vorbereitet.

Foto: BMWWer den Sprit für seinen Dienst-5er-BMW von der Firma bezahlt bekommt, macht damit auch mal einen Wochenendausflug.

Als „Viagra in Chrom“ bezeichnet SPD-Chef Sigmar Gabriel die Neigung der Deutschen, beruflichen Status vor allem in PS auszudrücken. Modelle wie der 5er BMW, der Audi A6 oder die Mercedes-E-Klasse rangieren seit Jahren in den Top Ten der Firmenwagen-Neuzulassungen beim Kraftfahrtbundesamt. Mehr als die Hälfte der neu zugelassenen Pkw sind Firmenwagen – bei den teuren Modellen mit den größten Motoren und dem höchsten Verbrauch sind drei Viertel gewerblich zugelassen.

Die aktuelle gesetzliche Regelung unterstützt diese Entwicklung. Unternehmen können ihre Firmenwagen komplett abschreiben. Die Kosten für Anschaffung, Leasing, Wertverlust, Versicherung, Reparaturen und Sprit ziehen sie zudem vom Gewinn ab und verringern dadurch ihre Steuerlast. Wenn sie ihren Arbeitnehmern statt einer Gehaltserhöhung einen Dienstwagen gewähren, müssen sie darauf keine Sozialabgaben zahlen.

Arbeitnehmer wiederum müssen für ein Dienstauto weniger Steuern zahlen als auf ein höheres Geldeinkommen und erhalten auf diese Weise einen günstigen Wagen, den sie auch privat nutzen können. Steuern, Kosten für Werkstatt, TÜV und Sprit übernimmt in vielen Fällen das Unternehmen. Die Mitarbeiter müssen lediglich einen geldwerten Vorteil versteuern, der vom Listenpreis des Autos abhängt.

Gerade bei Dienstwagen klaffen Norm- und Realverbrauch erheblich auseinander. Nach Einschätzung eines Mitarbeiters im Bundesumweltministerium (BMU) werden Dienstwagen oftmals mit Vollgas gefahren, wenn der Sprit nichts kostet. Das bedeutet: hohe CO2-Emissionen, die mit den offiziellen Herstellerangaben nichts mehr zu tun haben.

VCD entwickelt Alternative

Politiker von Grünen und SPD sowie Umweltverbände fordern seit Jahren, die Dienstwagenbesteuerung so zu verändern, dass Spritschlucker unattraktiv und diejenigen Unternehmer belohnt werden, die auf sparsame Autos setzen. Anhaltspunkt soll der Ausstoß von Klimagasen sein. Die Alternativmodelle sehen vor, dass Firmen Kaufpreis und Betriebskosten ihrer Pkw nur noch dann komplett abschreiben können, wenn sie einen niedrigen CO2-Grenzwert einhalten. Auch sollen Arbeitnehmer, die ihren Dienstwagen privat nutzen, einen höheren geldwerten Vorteil versteuern müssen, je mehr ihr Auto dem Klima schadet.

Der VCD entwickelte 2008 ein Modell, das sich am Vorbild Großbritannien orientiert. Das Königreich führte bereits 2002 eine ökologische Dienstwagensteuer ein. Mit Erfolg: Der durchschnittlichen CO2-Ausstoß neu zugelassener Firmenautos ist seitdem um 15 Prozent gesunken. Auch in Belgien, Irland und Frankreich hängt der Steuervorteil für Dienstwagenkäufer und -nutzer von einer Klimakomponente ab.

BMU-Studie kritisiert Dienstwagenbesteuerung

In Deutschland jedoch hat sich bislang keine Regierung getraut, am Dienstwagenprivileg zu rütteln. Immerhin unternahm der damalige Umweltminister Sigmar Gabriel im Sommer 2009 einen ersten Schritt und gab beim Finanzwissenschaftlichen Forschungsinstitut in Köln eine Studie zur „Steuerlichen Behandlung von Firmenwagen“ in Auftrag.

Kurz darauf wurde Schwarz-Rot allerdings abgewählt. Und die aktuelle Bundesregierung „macht sich Handlungsempfehlungen der Studie nicht zu eigen, da noch keine abschließende Bewertung der Studie vorgenommen wurde“, heißt es aus dem Umweltministerium.

Nicht zu überraschend: Die Finanzforscher kommen zu dem Ergebnis, dass die deutsche Besteuerung von Dienst­wagen den Staat Milliarden kostet, sozial ungerecht ist, da vor allem Besserverdienende einen Dienstwagen und dadurch Steuervorteile erhalten, und dem Klima schadet. Die Subventionen ließen sich um 3,3 bis 5,5 Milliarden Euro reduzieren und bis zum Jahr 2020 zwischen 2,9 und 5,7 Millionen Tonnen CO2 einsparen.

Die Forscher schlagen vor, dass sich die Pauschale, die Dienstwagenfahrer zusätzlich zu ihrem Einkommen versteuern müssen, künftig nicht mehr nur am Auto-Listenpreis orientiert, sondern darüber hinaus an den zurückgelegten Kilometern und am Spritverbrauch. Außerdem soll bei der Abschreibung von Firmenwagen in Analogie zum britischen Modell ein „Klimafaktor“ eingeführt werden. Bei besonders schlechten CO2-Werten sollen Unternehmen Anschaffungspreis und Betriebskosten nur zu 50 Prozent anrechnen können, bei guten Umwelteigenschaften bis zu 150 Prozent. „So, wie wir unseren Vorschlag formuliert haben, wäre er technisch nah an der Gesetzesreife und innerhalb eines halben Jahres umsetzbar“, sagt der Leiter der Studie und Geschäftsführer des Forschungsinstutituts Michael Thöne. 

Foto: Marcus GlogerStatus lässt sich auch mit moderner Umwelttechnik im Dienstwagen definieren.

Das Umweltbundesamt (UBA) als Unterbehörde des Bundesumweltministeriums hat der Finanzwissenschaftler auf seiner Seite. „Wir fordern schon seit längerem die Abschaffung umweltschädlicher Subventionen“, sagt UBA-Präsident Flasbarth der fairkehr. „Hierzu zählt auch die Reform des Dienstwagenprivilegs. Die aktuellen Regelungen sind eine eklatante Fehlsteuerung.“

Auch die SPD will nach Aussage des stellvertretenden Vorsitzenden der SPD-Bundestagsfraktion Ulrich Kelber sowohl in ihrem Energie- als auch in einem Sozial- und Abgabenkonzept eine ökologische und sozial gerechte Dienstwagenbesteuerung festschreiben: „Wer 20 Liter auf 100 Kilometern verbrauchen will, kann nicht erwarten, dass die Steuerzahler dafür aufkommen.“

Angst der Hersteller überflüssig

Das Umweltministerium hat die Studie nun zunächst ans Finanzministerium weitergeleitet, das die Ergebnisse nach eigenen Angaben „prüft“. Passieren wird wohl nichts. Zu groß ist der Respekt vor der Reaktion der bisherigen Nutznießer – zu groß vor allem die Furcht vor der Reaktion der deutschen Autoindustrie und
-lobby, die vor massiven Absatzeinbrüchen warnt. Eckehart Rotter, Sprecher des Verbands der Automobilindustrie VDA, weist darauf hin, dass das Firmenwagengeschäft 2004 länger als ein halbes Jahr brauchte, um sich zu erholen, nachdem Finanzminister Hans Eichel angekündigt hatte, den geldwerten Vorteil von 1 auf 1,5 Prozent erhöhen zu wollen.

Dabei wollten die deutschen Autohersteller doch in die Effizienzoffensive, sagt Michael Thöne vom Finanzwissenschaftlichen Forschungsinstitut Köln. „Die Umsetzung unseres Reformmodells wäre nichts, was denen konkret vor den Karren fahren würde. Im Gegenteil: Unser Modell trifft in die Zeit.“

Auch Michael Müller-Görnert, Autoexperte im VCD, versteht die Anti-Haltung der Hersteller nicht. „Die deutschen Produzenten bringen in allen Fahrzeugklassen immer effizientere Modelle auf den Markt – auch gerade in der Oberklasse, für die der Dienstwagenmarkt interessant ist.“

Der VDA betont, dass in der Firmenwagenflotte die durchschnittlichen CO2-Emissionen besonders schnell sänken. Von 2009 auf 2010 ging der Flottenausstoß um 4,8 Prozent zurück, im ersten Halbjahr 2011 waren es im Vergleich zum Vorjahr 5,2 Prozent. „Der durchschnittliche CO2-Ausstoß der neu zugelassenen Firmenwagen liegt aktuell bei knapp 150 Gramm CO2 pro Kilometer und damit nur noch drei Gramm über dem durchschnittlichen CO2-Wert aller Neuzulassungen, sowohl privat als auch gewerblich“, sagt VDA-Sprecher Rotter. Der Lobbyverband hält zusätzliche steuerrechtliche Eingriffe für überflüssig, die Ökologisierung sei im Gange.

SPD-Bundesvorstandsmitglied Ulrich Kelber hingegen sieht in einer Neuregelung eine Unterstützung für die deutschen Produzenten: „Man muss jetzt Druck aufbauen, damit auch Oberklasse-Fahrzeuge noch schneller immer energieeffizienter werden. Dann haben sie mehr Chancen auf dem Weltmarkt.“ Eine ökologische Dienstwagensteuer werde dazu beitragen, dass die deutsche Autoindustrie den europäischen CO2-Grenzwert für Neufahrzeuge erfülle, der ab 2015 bei 130 Gramm pro Kilometer liegt, meint auch Michael Müller-Görnert vom VCD. Außerdem würden Arbeitnehmer belohnt, die sich für ein teureres Modell mit moderner Umwelttechnik entscheiden: Hinge der geldwerte Vorteil vom CO2-Ausstoß ab, kä­men sie günstiger weg als Kollegen mit Spritfressern.

Unternehmen denken um

Die Politiker zögern, doch immer mehr Großunternehmen schaffen bereits ökologische Fakten im Fuhrpark. Sie stellen ihre Dienstwagenrichtlinien um und schaffen spritsparende Fahrzeuge an, unter anderem Siemens, die Allianz und die Deutsche Telekom. Die will bis 2015 den Durchschnittsausstoß ihrer knapp 40.000 Dienstwagen auf 110 Gramm pro Kilometer drücken und bringt es aktuell auf 146 Gramm. Telekom-Chef René Obermann setzt den Maßstab: Er tauschte 2009 sein altes Dienstauto – 260 Gramm – gegen ein spritsparenderes Modell mit 170 Gramm CO2.

Siemens will bis 2015 auf 120 Gramm kommen – und seinen Mitarbeitern den Nahverkehr näher bringen: Mehr als 200 leitende Angestellte des Elektrokonzerns verzichten seit Anfang 2009 auf einen Firmenwagen und erhalten 650 Euro „Mobilitätszulage“ für Bus und Bahn.

Kirsten Lange

Der geldwerte Vorteil

Wer seinen Dienstwagen privat nutzt, kann entweder ein detailliertes Fahrtenbuch führen oder wendet die Pauschalmethode an: Das Finanzamt rechnet dann pro Monat ein Prozent des Pkw-­Listenpreises als geldwerten Vorteil zum steuerpflichtigen Einkommen hinzu. Darüber hinaus müssen Dienstwagenfahrer ihre Wege zwischen Wohnung und Unternehmen versteuern – pro Kilometer mit 0,03 Prozent des Listenpreises. Dafür können sie in der Regel die Pendlerpauschale von 30 Cent pro Kilometer geltend machen.

Für einen 3er BMW, Kaufpreis 39.000 Euro, Benzinverbrauch sieben Liter, CO2-Ausstoß 173 Gramm pro Kilometer, müssen Dienstwagennutzer monatlich 170 bis 270 Euro zahlen, je nach Einkommensteuersatz. Würden sie sich das gleiche Modell privat kaufen, kämen sie auf knapp 760 Euro im Monat – inklusive Wertverlust und Kosten für Sprit, Motoröl, Garage, Versicherung, Kfz-Steuer, Werkstatt. Wer einen Firmenwagen privat nutzen darf, spart also monatlich bis zu 500 Euro.

Das VCD-Modell

Nach dem Vorbild Großbritanniens soll der geldwerte Vorteil umso höher ausfallen, je mehr CO2 das Auto ausstößt. Für Pkw mit weniger als 130 Gramm CO2 sollen Dienstwagennutzer zwölf Prozent des Bruttolistenpreises als geldwerten Vorteil versteuern. Für Fahrzeuge mit 220 Gramm und mehr liegt der Satz bei 50 Prozent. Die CO2-Grenzwerte werden alle zwei Jahre nach unten gesetzt. Zudem sollen Unternehmen Kaufpreis und Betriebskosten für Sparmodelle höher abschreiben können als für Spritfresser.

fairkehr 5/2023