fairkehr VCD-Magazin für Umwelt, Verkehr, Freizeit und Reisen

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Ein Pfad führt über eine grüne Alm
Ein Junge gießt Pflanzen, die in einer Holzkiste wachsen
Eine Seilbahngondel schwebt über eine dicht bebaute Stadt

Reise 6/2015

Für Prinzen und Biobauern

Die Schweizer Skimanufaktur Zai fertigt edle Skier in Handarbeit aus natürlichen Materialien. 

Foto: Stefan SchwenkeZai-Gründer Simon Jacomet entwickelt langlebige Skier aus Holz und Stein.

Ich werde euch glücklich machen.“ Mit diesem großen Versprechen empfängt uns Benedikt Germanier in der Werkshalle der Zai-Skimanufaktur im Graubündener Bergdorf Disentis. Freude, Leidenschaft und Begeisterung soll das Gleiten und Schwingen mit seinen Skiern auslösen. Der 48-jährige Geschäftsführer Germanier und Firmeninhaber Simon Jacomet (51) stellen ihr Unternehmen vor: Zai fertigt langlebige Skier aus Naturmaterialien wie Holz, Stein, Kautschuk und Wollfilz. Alle Ski werden in Disentis in Handarbeit hergestellt. Das Thema Nachhaltigkeit gehört zum Leitbild des Unternehmens. Mit Hingabe und Überzeugung stemmt sich Zai gegen den Trend der großen Marken, die jede Saison neue Serien knallbunter Ski auf den Markt bringen.

Wir sind mit der Bahn über Chur nach Disentis gereist, auf der spektakulären Strecke des Glacier Expresses. Menschen aus der ganzen Welt bestaunen auf der Fahrt von St. Moritz über Disentis nach Zermatt die großartige Schweizer Bergwelt durchs Zugfenster. Wer aus Bonn kommt, hat dazu das Glück, fast 600 Kilometer in Sichtweite des Rheins zu fahren. Der Strom, den die Deutschen für sich reklamieren, entspringt hier in Graubünden, nur wenige Kilometer von der Skimanufaktur entfernt.

Foto: Stefan SchwenkeTradition und Können: In der Zai-Werkstatt wird noch alles von Hand gemacht.

In der Werkshalle herrscht geschäftige Ruhe. Quer liegende Fenster fangen die Engadiner Sonne ein und geben den Blick auf Kirchturm und schneebedeckte Gipfel frei. Junge Männer in Jeans und Zai-T-Shirts stehen über Werkbänke gebeugt. Mit großer Konzentration und Präzision fügen sie die in der Form des späteren Skis zugeschnittenen Komponenten zusammen. Je nach Modell sind das dünne, sehr leichte Holzbretter aus Pappel oder Esche, hauchdünne Gewebe und Harzleim als Innenleben, Filzstoffe oder Walnussholz für die Oberfläche und vorgeformte Kanten aus rostfreiem Edelstahl. Manche Ski erhalten ein Herz aus Stein. Designer Jacomet erklärt, wie es eine Ummantelung aus Carbongewebe möglich macht, dass sich die innen liegende, ein Zentimeter dicke Gneisplatte, der sogenannte Steinkern, richtig durchbiegen lässt, ohne zu zerbrechen. Daran haben sie jahrelang geforscht. Zum Schluss des Handarbeitsteils verbindet eine computergesteuerte Presse alle Schichten mit Hitze und hohem Druck zu einem edlen Sportgerät.

Arbeitsplätze in der Region

13 Angestellte hat die Firma, allesamt leidenschaftliche Skifahrer. „Wir beschäftigen ortsansässige Spezialisten aus der Region Graubünden, in der das Zimmermannshandwerk und die Metallverarbeitung noch traditionelle Handwerke sind“, sagt der Geschäftsführer. Alle sprechen rätoromanisch, die alte Sprache der Täler Graubündens, das verbindet. „Die Berge liegen direkt vor unserer Tür. Wir können unsere Ski in jedem Stadium der Entwicklung und unter allen Bedingungen testen. Und die raue Landschaft des Tales inspiriert unsere Arbeit.“

Jetzt darf man bei so viel Holz, Filz und Stein keinesfalls an jene Latten denken, mit denen die Erfinder des Skifahrens unterwegs waren. Auch nicht an die Bretter, die wir noch aus Kindertagen kennen. Das Gegenteil ist der Fall: Der Zai-Ski ist ein innovatives technisches Meisterwerk mit einer perfekt passenden Bindung. „Unser Ziel ist die Herstellung der bestmöglichen Ski“, sagt Simon Jacomet, der die Manufaktur 2003 gegründet hat. „Dabei spielen Faktoren wie Zeit, Aufwand und Kosten keine Rolle.“

Foto: Stefan SchwenkeLaufen und gleiten auf echtem Naturschnee: Bis jetzt kommen in Disentis noch keine Schneekanonen zum Einsatz.

Womit wir beim Preis wären. Ein Ski aus einer Massenproduktion kostet um die 500 Euro. Bei Zai ist der Verkaufspreis acht- bis zehnmal so hoch – und bleibt für Gelegenheitsskifahrer so gut wie unbezahlbar. „Qualität und Haltbarkeit unserer Produkte sind unübertroffen“, hält Geschäftsführer Germanier dagegen. Neulich habe sich ein Biobauer aus dem Tal einen Zai-Ski gekauft. Auch ein Prinz aus den Emiraten ist unter seinen Kunden. Wer in seinem Leben auf Qualität Wert lege, möchte auch beim Ski keine Kompromisse machen, glaubt Germanier. „Unsere Ski halten mindestens zehn Jahre und können immer wieder aufgearbeitet werden. Wenn Sie das mal auf die Skitage umlegen, ist der Ski gar nicht mehr so teuer“, rechnet er vor. Wir fragen uns, wie oft der arabische Prinz auf die Bretter kommt, aber bei ihm spielen wahrscheinlich weniger Nutzen und Nachhaltigkeit eine Rolle als das Wissen, dass es keinen originelleren – und kaum einen teureren – Ski auf der Welt gibt.

Echter Schnee und echte Glücksgefühle

Jetzt aber genug der Theorie. Wir wollen raus in den Schnee. Einen Nachmittag lang wollen wir testen und spüren, ob Benedikt Germanier sein Glücksversprechen einlösen kann. Jeder beschreibt dem Techniker seinen Fahrstil und sein Können und bekommt ein Modell in die Hand gedrückt. Wir ermahnen uns, die teuren Skier auch abgeschnallt nicht aus den Augen zu lassen. Die Bergbahnen bringen uns zum Gipfel. Niemand schaut auf unser Material, so unauffällig dunkelblau oder holzfarben kommen die Ski daher. Das Firmenlogo haben die Handwerker schlicht eingeprägt oder als Intarsienarbeit ins Holz gelegt. Eindruck schindet man damit höchstens bei Eingeweihten.

 Oben am Lai Alv, auf 2500 Metern, passt alles: Die Sonne scheint, auf den Pisten liegt reiner Naturschnee. Disentis ist eines der wenigen Skigebiete, die noch ganz ohne Schneekanonen auskommen. 1000 Meter tiefer schlängeln sich die roten Wagen der Rhätischen Bahn durchs Dorf. Wir stoßen uns ab und gleiten talwärts, vorsichtig erst, bald schneller, immer sicherer. „Der Stein im Inneren des Skis sorgt beim Fahren für die nötige Stabilität, gibt aber genug nach, um die Kräfte, die beim Fahren auf den Ski wirken, umzusetzen und den Skifahrer, die Skifahrerin, sicher in der Spur zu halten“, hatte der Firmenchef gesagt. Das ist es. Wir fahren wie auf Schienen, fest verbunden mit dem Untergrund. Die Ski tragen uns durch die Kurven, kein Rutschen, kein Flattern, sie ahnen, wo wir hinwollen. Wir fühlen uns absolut getragen, haben das Gefühl, noch nie so gut Ski gefahren zu sein. Schneekristalle glitzern in der schräg stehende Sonne, wir atmen die Höhenluft, genießen die Aussicht und fühlen uns frei. Wir sind glücklich. Versprechen eingelöst, wenn auch nur für diesen Tag.

Uta Linnert

Echte Glücksgefühle

fairkehr 5/2023