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Ein Pfad führt über eine grüne Alm
Ein Junge gießt Pflanzen, die in einer Holzkiste wachsen
Eine Seilbahngondel schwebt über eine dicht bebaute Stadt

Reise 3/2009

Köchin in drei Stunden

Wenig Zeit, null Ahnung vom Kochen: gute Voraussetzungen für den „Fit-schnell-gesund“-Kurs.

Foto: Marcus GlogerAlles Handarbeit: Der Pfannkuchenteig aus Mehl, Milch, Eiern und Kräutern wird hauchdünn ausgebacken und landet in Streifen geschnitten in der Suppe.

Das Fett zischt und spritzt nach allen Seiten, der Boden vor dem Induktionsherd in der Bonner Südstadt-Küche verwandelt sich in eine glitschige Fläche. „Ich würde den Herd niemals so hoch einstellen!“, versuche ich zu protestieren, um meine bisherigen Kochgewohnheiten zu rechtfertigen: langes Rumstehen vor der Pfanne, in der das Fleisch bei niedriger Flamme vor sich hinbrutzelt. „Wer Fleisch braten will, braucht hohe Temperaturen“, erklärt Karl Heinz „Kalle“ Voß geduldig. Mit Ahnungslosen vor dem Herd kennt der 47-jährige Koch aus Bonn sich aus. Seit vier  Jahren kommt er zu den Menschen in die Küche und bereitet mit ihnen ihr Lieblingsgericht, ein romantisches Menü oder einen spanischen Abend vor. Oder er bringt jungen Berufstätigen mit wenig Zeit und wenig Küchenwissen bei, wie sie aus frischen, gesunden Zutaten innerhalb kürzester Zeit Suppen, Vorspeisen, Hauptgericht und Nachtisch bereiten. 90 Prozent seiner Kunden sind Männer.

Davon abgesehen, passe ich perfekt in die Zielgruppe des Kurses „Fit-schnell-gesund“: Generation Multimedia und Zeiteffizienz, bloß nicht an den Herd gefesselt sein, wenn ich in der Zeit doch telefonieren, E-Mails lesen oder mit meinen Freunden chatten könnte. Kalle ist angetreten zu beweisen, dass Kochen weder langwierig noch langweilig sein muss. Drei Stunden plant er für diese Mission ein.

Zwei Stunden sind rum und wir sind bei Kurzgebratenem angelangt: Schweinefilet rein in die Pfanne, einmal wenden, raus aus der Pfanne, essen. So einfach ist das. Auf dem Herd köcheln in einem Acht-Liter-Topf ein Biobrathähnchen, eine Stange Sellerie, eine Karotte und eine Zwiebel mit Schale (für eine schöne braune Färbung!): Noch eine halbe Stunde und die Hühnerbrühe ist fertig. Um Zeit zu sparen, haben wir das Gemüse gar nicht erst kleingeschnitten. Im Topf nebenan wartet die Broccoli-Creme-Suppe darauf, probiert zu werden, der Kartoffel-Geflügel-Auflauf und das Hähnchen mit Kartoffeln und Gemüse backen im Ofen, auf den Ablageflächen und dem Küchentisch stehen Teller und Schüsseln mit Kräuterpfannkuchen, Karottensalat und Karottenpuffer. Es riecht nach gedünsteten Zwiebeln, gebratenem Fleisch und Rosmarin. Während ich an der laut zischenden, spritzenden Pfanne aufpasse, dass das Schweinefilet nicht anbrennt, schneidet Kollegin Uta Linnert nebenan Zucchini und Tomaten für Gemüse-Couscous.

Foto: Marcus GlogerAlles klar: Wer zuhause ein leckeres Bioessen genießen will, muss auch kochen können.

„Voraussetzung für schnelles Arbeiten sind eine gute Planung, gute Vorratshaltung, gutes und ausreichend Werkzeug und Arbeitsgerät“, sagt Koch Kalle Voß. Deshalb findet der Kurs auch besser in Utas Küche statt. Eine Woche zuvor hat sich Kalle bei einem ersten Treffen einen Überblick über die Arbeitsflächen, den Topf- und Pfannenvorrat und die Küchengeräte verschafft. Was nicht vorhanden ist, bringt der Koch in einem großen Alukoffer mit, der aussieht wie ein riesiger Werkzeugkasten. Darin transportiert er neben Töpfen, Pfannen und scharfen Messern die Lebensmittel für den Kurs, die er selbst einkauft – auf Wunsch und für einen etwas höheren Preis auch bio. Seinen Werkzeugkasten zieht Kalle Voß auf Rollen hinter sich her, wenn er von der Bahnstation zum Haus der Kursteilnehmer marschiert. Da er kein Auto hat, reist er stets mit Bus und Bahn an.

Gegen die Barriere im Kopf

Während Uta und ich Biobroccoli pürieren, Kartoffeln schälen und Ökomöhren raspeln, schaut uns Koch Voß über die Schulter, gibt Tipps und greift immer wieder selbst zu Schüsseln, Pfannen und Messern, wenn es schneller gehen soll. Das Programm ist ehrgeizig. In drei Stunden kochen wir Vor-, Haupt- und Nachspeisen von einer fünfseitigen DIN-A4-Liste nach. Ein Gericht geht über ins nächste. Teilweise arbeite ich parallel an zweien und muss aufpassen, dass ich alle Kniffe zum schnellen Kochen mitbekomme, die Kalle Voß demonstriert. So wirft er beispielsweise die Cocktailtomaten als Gemüsebeilage einfach mit in die Pfanne zum Kurzgebratenen, mit Stumpf und Stiel, die lassen sich später per Hand essen. Über alles streut Kalle sein Universalgewürz: Salz und Pfeffer, schon vorgemischt in einer Tupperdose. „Das spart Zeit!“, erklärt der Koch. „Du musst nicht immer wieder erst zum Salz-, dann zum Pfefferstreuer greifen.“ Und es ist für ihn ein Mittel gegen „die Barriere im Kopf“, die so manchen vom Kochen abhält: „Ein leckeres Essen muss nicht immer exotisch und aufwändig gewürzt sein: Pfeffer und Salz reichen vollkommen aus!“

Foto: Marcus GlogerAlles frisch: Die angefrorenen Himbeeren püriert mit Schlagsahne und Puderzucker ­ergeben im Handumdrehen eine köstlich kühle Nachspeise.

Es sind simple Erkenntnisse wie diese, die den Kurs wertvoll machen. Hinzu kommen kleine Erfolgserlebnisse: Für Himbeereis brauche ich tatsächlich nur Tiefkühlfrüchte, Sahne und Puderzucker, alles pürieren, fertig, lecker. Das dauert keine drei Minuten. Kalle Voß setzt in seinem „Fit-schnell-gesund“-Kurs auf einfache, frische Zutaten, die überall zu bekommen und vielseitig einsetzbar sind, in der Suppe, in den Puffern und im Salat. Auch Tiefkühlzutaten sind erlaubt, wenn es schnell gehen soll. Geschmacksverstärkern und Emulgatoren hat der Koch den Kampf angesagt, mit verarbeiteten Produkten kocht er nicht.

Wer wirklich gesund und öko leben will, sollte auch selbst kochen können, diese Erkenntnis nehme ich mit. Es lohnt sich, ein wenig Zeit für das Hantieren am Herd in den Tagesablauf einzuplanen. Und es lohnt sich erst recht, sich einen Abend Zeit zu nehmen, um genau das zu lernen.

Nach drei Stunden ist auch das letzte Ofengericht fertig: Folienlachs mit Kräutern und Zucchini. Kalle Voß verabschiedet sich und überlässt den Verzehr seinen Schülerinnen. Ein leckerer Bioweißwein vom Feinkosthändler nebenan dazu – und auf den gesellig-kommunikativen Kurs folgt ein ebensolches Abendessen.     

    Kirsten Lange

Der Kurs „Fit-schnell-gesund“ kostet inklusive ­Lebensmittel für zwei Personen 127 Euro, jede ­zusätzliche Person zahlt 45 Euro. Wer ausschließlich mit Biozutaten kochen möchte, zahlt einen Zuschlag von 25 Prozent.
Karl Heinz Voß bietet als „Kochen & Kräuter“ ­verschiedene Kochkurse und außerdem Küchen-, Messer- oder Einkaufschecks an. Er ist bundesweit buchbar, berechnet bei weiteren Strecken ­allerdings Fahrtkosten und -zeit.

 

fairkehr 5/2023